Die Kurzgeschichtensammlung „Zwischen Nacht und Dunkel“ ist eine etwas andere Art der Geschichtenerzählung von Horrorgroßmeister Stephen King. Im Gegensatz zu vielen anderen seiner Geschichten ist der Haupttenor hier nicht das Übersinnliche oder Schrecken aus anderen düsteren Welten, sondern die dunkle Seite der Menschlichen Seele. In vier Geschichten schreibt er hier über die Abgründe die in uns Menschen wohnen.
In „1922“ überredet ein Wilfred „Wilf“ James seinen einzigen Sohn Henry seine Ehefrau beziehungsweise Mutter Arlette zu ermorden, da diese den Hof den sie bewirtschaften verkaufen möchte. Eigentlich hat Wilf durch diesen Mord gedacht endlich ihr größtes Problem beseitigt zu haben, doch die eigentlichen Probleme der James fangen erst jetzt an. Die Leiche von Arlette werfen die beiden in den Brunnen auf dem Bauernhof, doch aus den Augen aus dem Sinn ist hierbei leider nicht gegeben, denn ganz plötzlich tauchen Ratten aus dem Brunnen auf und entwickeln sich schnell zur Plage für den Hof. Selbst als man den Brunnen zumauert tauchen immer neue Ratten auf, was für Wilf unerklärlich ist er es aber als Rache seiner Frau sieht. Doch auch dies ist erst der Anfang, da der Schrecken nun erst wirklich beginnt und die Familie nicht nur durch den Mord auseinanderbricht.
In der zweiten Geschichte „Big Driver“ wird die bekannte Autorin Tess Jean nach einer spontanen Lesung bei einem Buchclub auf dem Nachhauseweg brutal vergewaltigt. Da die eigentliche Strecke gesperrt ist, muss sie eine Umleitung nehmen, auf der sie plötzlich eine Autopanne hat. Zwar erscheint ein Abschleppwagen, doch anstatt ihr zu helfen fällt der Fahrer über sie her und versucht sie nach der Tat zu erwürgen. Dies misslingt zwar, der Fahrer hält sie aber dennoch für Tot und entsorgt Tess in einem Abwasserrohr, in dem er schon seine früheren Opfer entsorgt hat. Es gelingt ihr sich zu befreien und auch irgendwie nach Hause zu kommen. Dort versucht sie diesen Überfall zuerst einmal zu verdauen, bevor sie dann aber den Entschluss fasst, sich für diese Übergriffe zu rächen.
In der dritten Geschichte des Buches „Faire Verlängerung“ hält Dave Streeter nach einer verheerenden Krebsdiagnose bei einem Straßenhändler an. Dieser bietet eine „Faire Verlängerung zu fairen Preisen“, hat aber nichts auf seinem Tisch zum Verkauf liegen. Als Dave dann mit George Elvid (so der Name des Händlers) ins Gespräch kommt erfährt er, dass Elvid alle Arten von Verlängerungen anbietet und Dave eine Lebensverlängerung verkaufen möchte. Dafür fordert er nur 15% von Daves Einkommen für den Rest von Daves Leben sowie die Übertragung von Daves Leid auf seinen größten Feind. Dave muss zuerst ein wenig überlegen, doch dann fällt ihm jemand ein, so dass er auf den Deal eingeht. Und schon bald beginnt sich sein Leben zu verändern…
In der letzten Geschichte „Eine gute Ehe“ findet Darcy Anderson auf der Suche nach Batterien in ihrer Garage eine unter der Werkbank ein Geheimversteck ihres Mannes. Bis zu diesem Fund, war sie mit ihrer Ehe eigentlich immer sehr gut zufrieden, doch dieser Fund erschüttert ihr Leben in den Grundfesten. Ihr Mann führt offenbar ein geheimes Doppelleben, welches er scheinbar immer bei seinen Geschäftsreisen ausgelebt hatte. Doch wie wird sie nun mit diesen Erkenntnissen umgehen, da ihr Mann sich durch diese Funde als brutaler Mörder auszeichnet.
Die Kurzgeschichtensammlung „Zwischen Nacht und Dunkel“ hat mich persönlich beim Lesen sehr schockiert. Stephen King ist es mit seinen vier Geschichten wirklich gelungen, das Dunkelste des Menschen hervorzuheben. Bei „1922“ haben ich gedacht – okay, eine typische Stephen King Story – als ich dann aber zu „Big Driver“ gekommen bin, hat mich der Autor wirklich geflasht. Schonlange habe ich nichts so düsteres gelesen. Auch „Faire Verlängerung“ ist eine Geschichte, die unter die Haut geht – vor allem, wenn man sich vorstellt, wie man sich selbst in so einer Situation verhalten würde. Ein wenig aus dem Rahmen fällt die letzte Geschichte, dann aber wieder doch nicht, da sie tiefgründiger ist, als vorher angenommen.
Für Stephen King Fans finden sich in diesen Geschichten viele kleine Anspielungen auf andere Geschichten aus seinem Kosmos. Dem normalen Leser sind diese Anspielungen natürlich egal, dennoch kann man diese Kurzgeschichten „genießen“ und sich fürchten. Stephen King hat mit diesem Band erneut bewiesen, dass er nicht nur Horror und Mystery kann, sondern viel Facettenreicher und Vielschichtiger ist.