Eine kleine Ortschaft in Maghreb. Die junge Jbara lebt mit ihren Eltern und ihren Geschwistern in Tafafilt, einem kleinen Dorf, und hütet die Schafe. Einer ihrer Höhepunkte dort ist es, wenn ein Schafhirte aus einem Nachbardorf ihr für kleine sexuelle Dienstleistungen einen besonderen Joghurt mitbringt. Für kurze Zeit vergisst sie ihren tristen Alltag und dass sie eigentlich alles um sie herum mehr als nur anwidert. Ein weiterer Höhepunkt in ihrem Leben ist der Bus, der einmal die Woche an ihrem Dorf vorbeifährt. Dort beginnt sie von Freiheit und einem Leben fernab ihres Dorfes zu träumen.
Alles ändert sich, als eines Tages plötzlich ein pinker Rollkoffer vom Dach des Busses fällt. Jbara nimmt diesen mit nach Hause und beginnt sich ähnlich wie die Besitzerin des Koffers zu tragen. Erschwerend kommt hinzu, dass sie nun auch noch schwanger ist und von ihrer Familie verstoßen wird. In der Großstadt heuert sie zuerst als Putzfrau in einem Restaurant an, wo sie ihr Kind in einem Hinterhof bekommt und es dort auch verlässt.
Kurz darauf wird sie als Putzmädchen bei einer reichen Familie benötigt. Auch dort wird ihr Körper benutzt und sie lernt dabei diesen für ihre Zwecke zu nutzen. Dabei ist ihr der Sohn des Hauses ein große Hilfe, der sie mehr als einmal benutzt. Kurz darauf verkauft sie als Scheherazade ihren Körper für Geld an den Meistbietenden. Dieses geht auch so lange gut, bis die Polizei davon Wind bekommt und sie mit ein paar anderen Mädchen ins Gefängnis steckt.
Nach ein paar harten Jahren beginnt ihr dritter Lebensweg. Ganz unten angekommen trifft sie in einer Moschee ihren neuen Ehemann. Der dortige Iman verliebt sich in die junge Frau, die sich nun Khadija nennt. Von nun an muss sie unter strengen Regeln leben und erfährt die dritte Art sein Leben zu führen. Bei all diesen Lebensabschnitten verliert sie aber nie den Kontakt zu Allah, selbst wenn sie einmal zornig ist und am liebsten nichts mehr mit ihrem Gott zu tun haben möchte.
Die Graphic Novel Adaption von Saphia Azzeddines Roman „Zorngebete“ ist meiner Meinung nach sehr gelungen. Während Eddy Simon den Text adaptierte, wurde die Geschichte von Marie Avril passend in Szene gesetzt. Dabei wurde aber kein Blatt vor den Mund beziehungsweise Zeichenstift genommen und all die Schicksalsschläge welche das Leben der jungen Frau beeinflussten wurden ungeschönt dargestellt.
Im Prinzip geht es in der Geschichte um den Glauben an sich. Jbara wächst in einem kleinen Dorf auf und ihr einziger wirklicher Gesprächspartner ist Allah, dem sie alles anvertraut. Durch kleine Fügungen des Schicksals erhält sie Dinge um die sie gebeten hat, auch wenn sie diese nie so direkt gefordert hat. Sie wollte Veränderungen und ein Koffer fällt von einem Bus. Ihr Leben läuft zu gut und sie fühlt sich unbesiegbar, so dass sie den Glauben an die Seite schiebt – die Polizei greift sie auf. Auch wenn es sich bei der Geschichte um eine fiktive Biographie handelt, steht der Dialog mit Allah immer im Vordergrund. Dabei nimmt Jbara kein Blatt vor den Mund, da sie weiß, dass alles was sie denkt von Allah gehört wird.
„Zorngebete“ ist eine interessante Graphic Novel, die einen gewissen Anspruch hat und eher für ältere Leser gedacht ist. Einige Szenen sind sehr explizit dargestellt, was aber nur die jeweilige Situation untermalt. Eddy Simon und Marie Avril ist der Spagat zwischen Kunst und Unterhaltung mit diesem Werk hervorragend gelungen. An einigen Stellen hätte ich mir noch eine etwas tiefergehende Hintergrundgeschichte gewünscht, aber dennoch ist es eine hervorragende Umsetzung. Vor allem der Wechsel in die unterschiedlichen Rollen ist in diesem Band sehr gelungen, da man immer eine Veränderung in der Figur der Jbara erkennen kann.