„Wer sich in Gefahr begibt” von Ann Granger ist der erste Fall für das „Ermittlerduo” Lizzie Martin und Ben Ross im viktorianischen England des Jahres 1864. Während Ben Ross jedoch ein Inspector beim Scotland Yard ist, und für sein Alter und seine Herkunft bereits eine ordentliche Karriere in London gemacht hat, kommt Lizzie Martin gerade erst in London an, um eine Anstellung als Gesellschafterin bei der Witwe ihres Patenonkels anzutreten.
Erst vor kurzem ist ihr Vater, der angesehene Provinzarzt Dr Martin, überraschend verstorben, und hat aufgrund seiner freigebigen Art, mit der allen Leuten helfen wollte, seiner Tochter nichts hinterlassen können.
Ihre erste Bekanntschaft in London macht sie mit dem Kutscher Wally Slater, und die Begegnung bleibt Lizzie länger im Gedächtnis. Nicht nur, dass er zunächst erschreckend aussah mit seinen entstellten Gesichtszügen als ehemaliger Boxer, vor allem aber bietet er seine Hilfe an, sollte Lizzie diese jemals benötigen, als er sie an der genannten Adresse absetzte. Vielleicht hätte Lizzie weiter darüber nachgedacht, jedoch ist sie zunächst viel zu aufgeregt, gleich zum ersten Mal ihre neue Arbeitgeberin und ihr neues Heim kennenzulernen. Außerdem muss sie noch verdauen, dass ihr ersten Eindrücke von London nicht nur die Großbaustelle im Armenviertel Agar Town waren, auf der alle Häuser abgerissen werden, und ein neuer Bahnhof gebaut werden soll. Außerdem musste sie sich den Abtransport eines Sarges mit ansehen, ebenfalls von der Baustelle.
In ihrem noblen neuen zu Hause stösst Lizzie schnell an gesellschaftliche Konventionen, die sie von ihrem Vater so nicht kennengelernt hat. Zum einen besteht eine Parallelwelt zwischen den „Herrschaften” und den Bediensteten im Souterrain. Zum anderen muss sie sich auch den strengen Augen ihrer Tante Parry, deren Sohn Frank, vor allem aber auch des engen Freundes ihrer Tante, dem ehemaligen Schulmeister Dr. Tibbet aussetzen. Speziell dieser hat es argwöhnisch auf Lizzies moderne Ansichten abgesehen, erklärt sie doch bereits in ihren ersten Gesprächen, dass sie die Schriften von Darwin gelesen habe.
Noch bevor sie sich richtig eingewöhnen konnte, bekommen sie Besuch von Inspector Ross, der in einem Mordfall ermittelt. Eine junge Tote wurde auf der Baustelle in Agar Town gefunden, und schließlich konnte sie als Madeleine Hexham identifiziert werden. Diese nun hat ebenfalls als Gesellschafterin bei Mrs. Parry gearbeitet, quasi als Lizzies Vorgängerin, bis sie eines Tages spurlos verschwunden ist.
Die Ermittlungen beginnen, verlaufen jedoch zunächst schleppend. Inspector Ross erkennt in Lizzie die Tochter von Dr Martin wieder, der ihm seine schulische Ausbildung ermöglicht hat. Lizzie kann sich zunächst nicht an Ben erinnern, doch bald schon wandelt sich gegenseitige Wertschätzung in leichte Zuneigung. Und gemeinsam setzen sie immer mehr Indizien zusammen, bis schließlich der Täter überführt werden kann.
Dies ist das erste Buch der Reihe „Lizzie Martin und Benjamin Ross” von Ann Granger, die mittlerweile fünf Bände umfasst. Hier nun wird sehr atmosphärisch dicht das viktorianische London sehr lebensnah beschrieben. Man kann förmlich den kalten Nebel spüren, und den Gestank in den Slums riechen.
Die strenge Hierarchie der Gesellschaftsordnung beginnt aufzubrechen, so dass Menschen mit harter Arbeit und Fleiß und Verstand ebenfalls Aufstiegschancen haben. Außerdem zieht der Fortschritt mit dem vermehrten Bau von Eisenbahnen und einer Kanalisation in London ein, leider müssen dafür Häuser in den Slums geräumt werden- inklusive der Vertreibung der armen Bewohner im Namen der erforderlichen Modernisierng.
In diesem London treffen nun Lizzie und Ben aufeinander, und ihr Kennenlernen unter den Einschränkungen der gesellschaftlichen Normen wird ebenfalls sehr fein beschrieben. Insgesamt macht das Eintauchen in diese andere Zeit viel Lust auf die weiteren Bände, und ganz nebenbei ist der eigentliche Kriminalfall auch noch sehr spannend- mit überraschendem Ende.