Jedes Jahr zu den Raunächten erscheinen im kleinen griechischen Dorf Dodekada Menschen die dort nicht hingehören. An den Tagen vom 25.Dezember bis zum 6. Januar weicht die Grenze zwischen der Welt der Lebenden und der Welt der Mystik so weit auf, dass in dieser Zeit die Kalikanzari aus der Unterwelt in die Welt der Lebenden kommen können.
In Dodekada müssen sie dann dank eines Fluchs jedes Jahr den Herzschlag einer Person stehlen. Diese hat dann bis zum 6. Januar Zeit sich zu entscheiden, ob sie auch ein Kalikanzari werden möchte, oder doch lieber den Tod wählt.
Die Dorfbewohner wissen aber nichts davon, denn sobald die Zeit der Kalikanzari auf der Erde vorbei ist, verlieren die Menschen ihre Erinnerung an sie und die Geschichte wird wieder zu einer reinen Sage. Als die zweiundzwanzigjährige Daphne kurz nach der Weihnachtsmesse ihres Dorfes einen Brief von einer ihr völlig unbekannten Frau erhält in dem steht, dass sie die Frau zwar im Moment nicht kennen würde, diese aber vom ganzen Herzen liebt, ist ihre Verwirrung natürlich groß.
Daphne unternimmt alles Menschenmögliche um mehr über diese seltsame Frau zu erfahren. Die Lektüre des Briefes hat sie völlig aus der Bahn geworfen. Am nächsten Tag treffen sich die beiden Frauen im Wald in der Nähe des Dorfes. Bei einer Berührung kehren Daphnes Erinnerungen an die Vergangene Zeit langsam wieder zurück, doch erst ein Kuss zwischen den beiden holt ihre Erinnerung komplett zurück.
Bei dieser unbekannten Frau handelt es sich um Ioanna, die seit sechs Jahren auch eine Kalikanzari ist. Damals befand sie sich zusammen mit ihrer Schwester nur auf der Durchreise, als man ihr während einer Party den Herzschlag gestohlen und sie somit verflucht hatte. Im darauffolgenden Jahr musste sich Ioanna dann auf die Suche nach einem Opfer machen und wurde dabei in der Silvesternacht von Daphnes Herzschlag angelockt.
Eigentlich wollte sie diesen dann stehlen, damit der Fluch auch erfüllt wird, doch Ioanna ist auf der Stelle von Daphnes Anblick fasziniert und kann die junge Fau nicht der gleichen Bürde wie sich selbst aussetzen. Schnell sucht sie sich ein anderes Opfer und findet dies in Daphnes Großvater. Zu diesem Zeitpunkt kann Ioanna noch nicht das ganze Ausmaß ihres Handelns überblicken, denn durch diese Aktion hat sie eine Kettenreaktion von Ereignissen ausgelöst.
Daphnes Großvater verzeiht Ioanna ihren „Diebstahl“ und lädt sie sogar zu sich nach Hause ein. Dort zwingt er Ioanna dazu Zeit mit Daphne zu verbringen. Wäre es nicht schon in der Silvesternacht um Ioanna geschehen gewesen, so würde die Zeit mit Daphne nun dafür sorgen, dass sie sich in diese junge Frau verliebt. Doch wie kann das sein. Ioanna ist doch schließlich ein Monster, welches Daphnes Großvater getötet hat. Doch scheinbar scheint Liebe alle Grenzen zu überwinden…oder etwa doch nicht?
Mit dem Band „Das gestohlene Herz“ eröffnet die Stuttgarter Autorin Nena Tramountani ihre Dilogie „Twelve of Nights“. Dieses spielt aktuell zur genau passenden Jahreszeit und ist eine düstere Mischung aus Fantasy, Griechischer Mystik und Liebesgeschichte.
Die Atmosphäre der Geschichte ist dabei zumeist düster und angepasst an das Wetter. Die Gedanken der Protagonistinnen sind meist traurig und von Sehnsucht zerfressen und eigentlich passen beide nicht in die jeweilige Welt. Ioanna sieht sich immer als Monster und hinterfragt nie genau die wahren Hintergründe ihres neuen Daseins.
Sie kann das Leben als Kalikanzari ohne Gefühle nicht ertragen und möchte sich am liebsten selbst umbringen, was aber als Unsterbliche recht schwer ist. Nur der Gedanke an Daphne lässt sie ihr Leben weiterführen. Doch leider ist diese Beziehung auf 12 Tage im Jahr beschränkt und basiert in den ersten beiden Jahren auf einer Lüge, die das Glück schnell zerbrechen lassen – was natürlich auch nicht zu einem guten Gemütszustand beiträgt.
Daphne wiederum ist sehr darum bemüht allen in ihrer Umgebung zu gefallen. Sie ist sehr anpassungsfähig und stellt ihre eigenen Wünsche und Träume immer hinten an, auch wenn das für mehrere toxische Beziehungen führt, die ihr das Glück nur vorgaukeln. Daphne gibt sich selbst immer wieder ein Stückchen auf, was sie wiederum nicht glücklich macht. Vor allem der Tod ihres Großvaters hat sie sehr mitgenommen.
Nur in der Zeit mit Ioanna kann sie wirklich sie selbst sein. Dort vergisst sie alles um sich herum und kann sogar mit den alten Normen und Werten des Dorflebens brechen. Doch leider verschwindet die Erinnerung daran immer am 6. Januar und sie geht wieder in ihr altes Leben zurück.
Ich muss gestehen, am Anfang hatte ich einige Probleme mit „Das gestohlene Herz“. Es gab zwar schon zum Ende des ersten Kapitels eine der großen Überraschungen des Buches, die den Leser neugierig gemacht hat, doch dann hat es gefühlt ewig gedauert, bis man wusste, was wirklich dahintersteckte. In verschiedenen Zeitebenen erfahren wir Leser nicht nur etwas über die Gegenwart, in der sich Daphne zu erinnern versucht, sondern auch über die letzten fünf Jahr und Ioannas Sichtweise der Geschichte.
Die Erzählung ist dabei fast immer nur auf die Raunächte beschränkt und nur in kleinen Anmerkungen und Gesprächen zwischen den Protagonistinnen erfahren wir Leser, wie schrecklich und zerstörerisch das Leben der beiden jungen Frauen in Wahrheit ist.
Irgendwann hat es mich dann aber richtig gepackt und diese Mischung aus düsteren Gedanken, Fantasy und Romantik haben mich gefesselt. Wie kann eine Liebe überleben, wenn die eine Person fast ein ganzes Jahr nichts von der anderen Person weiß und die andere Person sich nur durch die eigenen Erinnerungen an diese zurückbesinnen kann, da sie durch das Fehlen des eigenen Herzes total emotionslos ist.
Dazu kommt noch die weitere Dramatik, die sich erst im Laufe der Handlung entwickelt. Während Ioanna versucht ein Versprechen einzulösen und Daphne zu beschützen gerät sie dabei immer mehr in den Strudel der Menschlichkeit und kann sich davon nicht lösen. Dieses ist aber eine der Grundregeln der Kalikanzari und muss somit aufs härteste bestraft werden.
Der bei Piper erschienene erste Band von „Twelve of Nights“ ist ein guter Auftakt für eine nicht ganz einfache Liebesgeschichte. Der Hardcover-Band ist sehr schön und nicht nur der pink/lila Farbschnitt sondern auch das Innenbild des Umschlags sowie die Zeichnung der beiden Protagonistinnen im Innenteil der Umschlagklappe sind sehr gut gestaltet.
Ich hätte es zu Beginn der Lektüre nicht für möglich gehalten, aber ich bin wirklich gespannt wie die Geschichte im zweiten Band weitergeht.
Hier noch ein kurzer Hinweis, der im Roman leider erst in den Anmerkungen im hinteren Teil steht. Der Roman enthält potentiell belastende Inhalte wie Depressionen, Suizid, selbstverletzendes Verhalten, Trauer, Verlust und psychische Erkrankungen.
Meine Meinung: 9 von 10 Punkten