Am 26. April 1986 ereignete sich eines der größten Unglücke im Zusammenhang mit Atomkraft. An diesem Tag explodierte der vierte Reaktor des Atomkraftwerks Tschernobyl und veränderte damit den Lauf der Geschichte. Atomenergie, die bis dahin als saubere Energie galt, wurde nun als das erkannt, was sie wirklich war, denn die „gute“ Atomkraft gibt es nicht.
Die Graphic Novel „Tschernobyl – Rückkehr ins Niemandsland“ beschreibt nicht nur den Unfall aufs Neue, sondern zeigt auch das Schicksal einer Familie, die von der Explosion betroffen war. In drei völlig unterschiedlichen Kapiteln, wird die Zeit kurz nach dem Unfall, die Zeit während des Unfalls und die Zeit 20 Jahre nach dem Unfall abgebildet. Dieses wird immer aus der Sicht von verschiedenen Familienmitgliedern gezeigt, dennoch hängt es auf die eine oder andere Art zusammen.
Im ersten Kapitel der Geschichte liegt der Hauptfokus Leonid und Galia, die einige Jahre nach dem Atomkraftunglück wieder zurück auf ihren Bauernhof in der Nähe von Prypjat ziehen, um dort ihr altes Leben wieder aufzunehmen. Natürlich wissen sie über die Gefahr der Strahlung, dennoch lassen sich die beiden älteren Herrschaften nicht davon abbringen ihren alten Hof wieder zu beziehen.
Das zweite Kapitel hat Vladimir und Anna als Protagonisten, wobei Anna die Tochter von Leonid und Galia ist. Dieses Kapitel ist zeitlich kurz vor der Katastrophe angesiedelt. Die beiden Leben mit ihrem Sohn Yuri in Prypjat und erwarten dort nicht nur ihr zweites Kind, sondern können die Festlichkeiten für den ersten Mai und dem damit verbundenen Rummel kaum erwarten. Der Unfall macht dies aber zunichte. Während Vladimir im Kraftwerk gearbeitet hatte und den Unfall nur so gerade eben überlebt hatte, lässt man die Bewohner von Prypjat lange Zeit im Dunkeln über das wahre Ausmaß der Geschehnisse, was nicht nur bei einer Person der Stadt zu Spätfolgen führe sollte.
Im dritten Kapitel des Bandes wird der Fokus auf den nun erwachsenen Yuri und seine Schwester Tatiana gelegt, die nun mehr über ihre Vergangenheit erfahren wollen. Aus diesem Grund machen sie eine Sightseeing Tour im nun für Touristen geöffneten Gebiet um Tschernobyl. Was sie dort sehen und erleben wird ihr Leben für immer verändern.
Mit der Graphic Novel „Tschernobyl – Rückkehr ins Niemandsland“ versuchen Autor Francisco Sánchez und Zeichnerin Natacha Bustos nicht nur das schreckliche Unglück zu verarbeiten, sondern generell vor den Folgen und Spätfolgen Atomarer Energie zu warnen. In eindrucksvollen Bildern wird hier das Leben nach dem Unglück dargestellt, wobei Sánchez häufig auf Dialoge und wörtliche Rede verzichtet. Dadurch wird die Atmosphäre im Band noch bedrückender und siegelt genau das wieder, was die Gegend um so einen Unfall wirklich ist. Kalt und bedrückend. Auch wenn man nichts von der Gefahr sieht, ist sie immer da und wartet nur darauf leise und schleichend zuzuschlagen.
Das Vorwort zu der Geschichte kommt vom Bündnis 90 / Die Grünen Mitglied Oliver Krischer, der sich an seine eigenen Erfahrungen mit dem Unglück erinnert und auch über die Gefahren der Atomkraft berichtet. Im Anhang findet man noch einen „Brief“ von Yuri, in dem er über seine Geschichte berichtet. Darüber hinaus kommen die Macher des Bandes noch einmal zu Wort und beschreiben, was für ein wichtiges Anliegen die Arbeit an diesem Buch für sie war.
„Tschernobyl – Rückkehr ins Niemandsland“ ist nicht unbedingt leichte Kost. Die Ereignisse um die unterschiedlichen Generationen der Familie sind beeindruckend, aber auch sehr schockierend. Die Rekonstruktion des Unfalls war meines Erachtens passend dargestellt, da wir als Leser mehr wussten als die Protagonisten, trotzdem die Ereignisse noch einmal so miterleben wie die Menschen 1986. Dadurch wird der ganze Band noch viel Realer. Die Zeichnungen sind passend zur Geschichte und tragen durch die vielen „Stillleben“ viel zum langsamen Handlungsaufbau bei. Ein guter, aber auch sehr realer Band, der nicht für jeden Leser geeignet ist.