Archi „MC“ Motherfucker und Johnny Bottrop von der Berliner Band Terrorgruppe standen anlässlich ihres Comebacks und der bald erscheinenden EP “Inzest im Familiengrab” für ein Interview zur Verfügung. Viel Spaß beim Lesen!
“Vielleicht macht’s ja sogar richtig Sinn?”
Warum jetzt ein Comeback? Ihr habt damals behauptet, es würde ja keines geben.
MC: Ja “damals” – also über die letzten 10 Jahre – waren wir auch alle mit anderen Projekten verstrickt, so dass wir uns ein Comeback nie vorstellen konnten. Es ist verdammt anstrengend so eine Band wieder aufzustellen. Nach der Veröffentlichung unserer Dokumentation “Sündige Säuglinge….” im Januar 2013, kam nach einer Idee von Johnny Bottrop alles wieder zusammen.
J.B.: Yoo, wir hatten damals ungefähr 25 Interviews zum Erscheinen des Terrorgruppe-Films gegeben und bei jedem dieser Interviews war dann die letzte Frage “Wann spielt ihr eigentlich mal wieder ein Konzert?” Wir haben natürlich immer mit “Nie” geantwortet … und dann bei der 26sten Nachfrage habe ich mir gedacht: “Was ist eigentlich, wenn alle diese vielen Leute doch recht haben und wir unrecht? Vielleicht ist ja eine Rückkehr auf die Bühne gar nicht mal so verkehrt, vielleicht macht´s ja sogar so richtig Sinn?”
Wie kam es wieder zur Kontaktaufnahme?
MC: Der Kontakt war schon immer da, daran lag es nicht!
JB: Kreuzberg plus Nordneukölln ist ja ein Dorf … man kann sich gar nicht aus dem Weg gehen, selbst wenn man das will … hahahah … Archi und ich haben ja in den ganzen 10 Jahren auch jede Menge Platten zusammen rausgebracht, er hat recorded und produziert, ich hab hinterher veröffentlich und Propaganda dafür gemacht… The Movement, Scheisse Minnelli, die Inferno Anthology, The Toten Crackhuren…
Wie verliefen die ersten Proben denn?
MC: Interessant! Ich war überrascht wie meine Stimme plötzlich wieder funktionierte und so klang wie vor 10 Jahren und wie mein Körper sich so langsam wieder an alle Bewegungen automatisch erinnerte.
JB: Das hört sich leichter an als es ist… man probt zu Anfang quasi immer genau dann am besten, wenn man das Gehirn komplett ausschaltet. Ist fast so wie meditieren.
MC: Allerdings muss man auch dazu sagen, dass wir fast 7 Monate intensiv geprobt haben bis wir das erste Mal wieder auf der Bühne standen. Und das war notwendig.
Wer ist nun alles mit dabei in der Terrorgruppe?
MC: Zip Schlitzer am Bass, Johnny Bottrop an der Gitarre, Kid Katze am Schlagzeug und Eros Razorblade an mehreren Instrumenten gleichzeitig!
JB: Ein sogenannter Multiinstrumentalist. Voll der internationale Musik-Multi. Ich bin neidisch. Streber.
“Pre-Punk mit 60’s Trashrock-Elementen, sehr groovy, rund und warm”
Wie würdet ihr die neuen Stücke beschreiben?
MC: Sehr Ur-Punkartig fast schon Pre-Punk mit 60’s Trashrock-Elementen, sehr groovy, rund und warm. Aber natürlich schon auch unser typischer Sound bzw. Melodien. Die Gitarren sind nicht mehr dieses 90er Brett, sondern eher aggressiv dengelig. Die Texte wieder mehr Dadaistisch und wir vermeiden um alles in der Welt Pathos.
JB: Nur die Zeile “Millionen Jahre Dschungelcamp für Thilo Sarrazin” ist ein klein bisschen pathetisch.
“Nein. Ganz klar keine Gesellschaftskritik… ausnahmsweise mal nicht.”
Eure EP “Inzest im Familiengrab” klingt vom Titel her wie “Inzest mit Nekrophilie gepaart”. Kritik an die Gesellschaft oder eher Sex sells?
JB: Nein. Ganz klar keine Gesellschaftskritik… ausnahmsweise mal nicht. Es ist sowas wie das Motto und Oberthema unserer Rückkehr seit Mai 2014 … und Sex…
MC: …klar ,”Sex sells”, aber nicht hierbei. Es ist einfach bloß kleiner, unbedeutender Text zur Rückkehr der Band. Nichts tiefgründiges. Muss es auch nicht. Wir sagen einfach “Hallo Leute, wir sind wieder da” auf unsere Art und Weise. Aber klar kratzen wir nebenbei wieder an Moral und Tabus. Wir können nicht anders, wir sind die Terrorgruppe.
JB: Ich hab gestern morgen tatsächlich ein kleines Sex-Lied gedichtet und komponiert … jedenfalls damit angefangen. Ist noch nicht ganz fertig.
In aktuellen Interviews betont ihr ja immer wieder, dass es nicht am Geld liegt. Was macht ihr denn neben der Terrorgruppe sonst?
MC: Betonen wir das wirklich? Is mir gar nicht so aufgefallen. Ich denk nicht so über Geld nach, eher über die Zeit, die mir ständig ausgeht. Alle haben ganz gute freischaffende Jobs, meist auch mit Musik.
JB: Zeit haben ist wichtiger als Geld haben.
Was bedeutet für euch Punkrock und inwiefern hat sich der aus eurer Sicht sowohl bei Terrorgruppe als auch im Gesamten geändert!
JB: Punkrock ist immer noch in meinem Leben präsent, jeden Tag als Motor, Energiequelle, Inspiration, Ideengeber für kritische Weltanschaung, für rastlose Aufmüpfigkeit … eine gesunde und grundsätzliche Skepsis allen Autoritäten und sogenannten Sachzwängen gegenüber … und natürlich eine grossartige und schillernd vielfältige Musik.
MC: Punkrock ist dieses Gefühl, das ich Ende der 70er hatte, als ich mit 16 Jahren die Pistols und Stranglers das erste mal im Radio hörte. Einfach, yeah, das ist meine Musik, so will ich aussehen und so will ich mich daneben benehmen. Geändert hat sich da für mich glücklicher Weise wenig. Nach fast 40 Jahren ist Punk manchmal weniger, manchmal mehr populär aber diese Form der Popmusik bleibt immer noch wichtig für die ganze Musikszene. Ohne Punkrock keine Nirvana, keine Foo Fighters, keine Beatsteaks, keine Editors, keine Beastie Boys, keine Rage against the Machine, keine Metallica, keine Kraftklub, Casper oder KIZ.
JB: Jetzt wo wir ein bisschen älter und etwas ruhiger geworden sind, sehen wir uns selber nicht mehr so sehr als “Punks” oder wilde “Rock`n`Roller”, sondern mehr so als trashige “Künstler” und Kultur-Terroristen… damit kann man dann auch in Würde altern und muss nicht immer den jugendlichen Rebellen mimen.
Was muss das Genre zwingend mit sich bringen?
MC: Minimalismus, Aggressivität, Energie, Provokation und Witz.
Wird es nach der EP noch ein Album geben, wenn ja gibt es da schon Infos zu, die ihr verraten wollt?
MC: Wir werden uns ab September in den Proberaum begeben und versuchen Songs für ein Album zu arrangieren und zu proben. Haltet uns die Daumen, wenn wir Erfolg im Proberaum haben, gibt’s auch nächsten Sommer eine neue Schallplatte.
JB: Ja unterstützt uns mit euren gedrückten Daumen und mit euren Gedanken! Meditiert für die Terrorgruppe! Ein neues Album, das wär doch mal was.
MC: Und bald, im Dezember, fahren wir fleißig mit der “Rohe Weihnachten Tour” los – am 10.12. nach Leipzig, am 11.12. nach Wien und am 12.12. nach München. Dann spielen wir noch auf dem legendären “Atomtest Weihnachtsfest” am 20.12. in Berlin und am 27.12. kommen wir nochmal in den Ruhrpott nach Oberhausen zum Punk im Pott Festival.
[…] wenn die Band in unserem Interview mit der Terrorgruppe der EP “Inzest im Familiengrab” die Abwesenheit von Gesellschaftskritik attestiert, so […]