In dem kleinen brandenburgischen Ort Scharnow geschieht nie etwas. Wie denn auch, denn da gibt es ja neben einer Dönerbude, einem Internetcafé und einem Supermarkt auch nichts Aufregendes. Das alles ändert sich aber eines Tages gewaltig. Tag X wird bei den meisten Bewohnern des Dorfes noch lange in Erinnerung bleiben.
Dabei handelt es sich nicht nur um ein einziges Ereignis. Zuerst wird ein Mann in seiner Wohnung brutal ermordet, was aber wie ein Ritualselbstmord aussieht. Danach wird der Supermarkt von vier nackten Dieben überfallen, die aber kein Geld sondern nur harten Alkohol, Bier und ein paar Chips erbeuten. Kurz darauf wird der Hund der Kassiererin des Supermarktes bei der Verrichtung des „Geschäfts“ erschossen.
Der Polizist, der dem Supermarktüberfall auf den Grund gehen muss, ruft zwei Aushilfspolizisten an, die sich aus Dummheit gegenseitig erschießen. Und zu allem Überfluss taucht in der Kreisstadt Sahsenheim plötzlich ein fliegender Mann auf, der im verlassenen Industriegebiet wütet und mit Schornsteinen um sich wirft.
Das alles passiert in einer Nacht in der Stadt, wo sonst nichts passiert. Schon am Tag danach scheint sich wieder alles normalisiert zu haben. Doch dies ist nur die sichtbare Spitze des Eisbergs, denn unter der Oberfläche geschehen die unterschiedlichsten Dinge. Die junge Nami, die ein Video von den nackten Dieben gemacht und in einem sozialen Netzwerk gepostet hat, hat in dem Aushilfskassierer Hamid die Liebe ihres Lebens gefunden.
Die Nackten an sich gehören zum Bund der Glücklichen und haben das Schlamassel des Polizisten beseitigt und diesen in ihren Kreis aufgenommen. Ihr Hauptanliegen ist es zu feiern und alte Horrorfilme zu schauen, doch leider fehlt ihnen oft das Geld dafür. Plötzlich ändert sich aber ihr eigener Status quo durch ein Geheimnis eines ihrer Mitglieder.
Bleibt da noch der fliegende Mann. Dieser hat nach einer schlimmen Nachricht nur etwas Dampf ablassen wollen und ist nun mit sich im Gleichgewicht. Trotzdem ist seine Geschichte noch lange nicht zu Ende und schon bald beginnt der nächste Schritt in seiner Evolution.
Bela B Felsenheimer ist vieles: Erfolgreicher Musiker in einer Band oder in seinem Soloprojekt, Hörspielproduzent und Hörbuchsprecher, Schauspieler und eine Zeit lang sogar Verleger seines eigenen Comicverlages. Nun kommt noch ein neuer Berufszweig dazu – Romanautor.
Mit „Scharnow“ liefert Felsenheimer jetzt sein Debüt als Autor bei Heyne Hardcore ab und was für ein Debüt. Wer Felsenheimers Vorlieben ein wenig kennt, der kann sich vorstellen was der Inhalt des Buches sein könnte. Ebenso wie viele seiner Romanfiguren mag auch er die klassischen Horror- und Westernfilme der Italiener (die man am besten auf VHS genießt) und dies spiegelt sich auch in seinem Roman wider.
Die Geschichte ist an einigen Stellen wirklich seltsam und total abgehoben. So gibt es dort Bücher die ein Eigenleben haben und die Menschen angreifen, Tiere die telepathische Fähigkeiten haben sollen, einen Aufbewahrungsort für Seelen und natürlich den fliegenden Mann. Manchmal ist es leider ein wenig zu abgehoben für meinen Geschmack.
Dazu kommt noch die Rahmenhandlung die ein wenig an die Frühwerke von Quentin Tarantino erinnert.
Verschiedene Genres werden gemischt und dadurch ein völlig neues Genre entwickelt. Die Figuren sind manchmal mehr als seltsam, sind aber alle irgendwie miteinander verwoben und stehen daher fast alle in irgend einer Beziehung zueinander.
Die Geschichte an sich hat ein offenes Ende und weist daher neben anderen Aspekten viele Elemente einer klassischen Kurzgeschichte auf. Natürlich könnte es auch ein geschickter Schachzug Felsenheimers als Vorbereitung auf die Fortsetzung der Geschichte sein. Man darf gespannt sein…
Meine Meinung: 9 von 10 Punkten