Die 1990er waren im wahrsten Sinne ein düsteres Zeitalter für die Comicindustrie. Nachdem in den 1980er Jahren durch die Geschichten von Frank Miller und Alan Moore eine andere Sicht auf die Comicindustrie geworfen wurde und zu Beginn der 1990er Jahre durch den Image Verlag neue Serien wie „Spawn“, „The Darkness“ oder „Youngblood“ die über trieben Gewalt und auch die Idee des Bad Girls in das Medium eingebracht hatte, mussten die großen Verlagshäuser irgendwie mitziehen um ihre Leser bei der Stange zu halten. Auch hier wurden die Geschichten immer brutaler, die Bekleidung der Damen immer freizügiger und Helden die man seit Jahren kannte gerieten plötzlich in Identitätskrisen die sie an sich selbst zweifeln ließen.
Eine dieser Geschichten war das 1993 bei Marvel veröffentlichte Megaevent „Maximum Carnage“. Für knapp 3 Monate zog sich die Handlung durch alle damaligen Spider-Man Serien, zu denen „The Amazing Spider-Man“, „The Spectacular Spider-Man“, „Web of Spider-Man“, „Spider-Man“ und die damals neu gestartete Reihe „Spider-Man Unlimited“ gehörten. In einer durchgängigen, aber von unterschiedlichen Autoren und Zeichnern erzählten Geschichte, musste der beliebte Wandkrabbler den psychopathischen Carnage stoppen und sich mehrfach fragen, ob man selbst zum Monster werden muss wenn man gegen ein Monster kämpft.
Die Geschichte beginnt im Ravencroft Institut für Schwerverbrecher. Cletus Kasady, soll nach der Trennung von seinem Symbionten untersucht werden, da Anomalien in seinem Blut gefunden wurden. Leider ist diese Anomalie genau das Problem, denn der Symbiont hat sich mit Kasadys Blut verbunden und tritt immer dann aus, wenn er sich verletzt. Da ist eine Spritze nicht besonders förderlich. Kaum sitzt die Nadel in seinem Arm beginnt der Wahnsinnige auch schon mit einer Mordorgie. Neben den Wachen und Ärzten müssen auch fast alle Insassen das zeitliche Segnen. Die einzige Ausnahme macht die schöne, aber auch tödliche Shriek, die Carnage überredet sie zu befreien. Sie mag den Psychopathen und möchte mit ihm auf Tötungstour gehen.
Als Spider-Man von diesem Ausbruch erfährt ist es schon fast zu spät. Zusammen mit seinen Freunden Cloak und Dagger begibt er sich in einen ausweglosen Kampf gegen Carnage und seine wahnsinnige „Familie“, die durch Doppelgänger, den Spider-Man Dämonen, auf dem Weg zum Schauplatz noch ein weiteres Mitglied gewonnen hat. Nur knapp können der schwerverletzte Spider-Man und Cloak aus den Fängen ihrer Peiniger entkommen, wofür sich Dagger aber im Kampf gegen Shriek opfern musste.
Gegen den Wahnsinn scheint kein Mittel gewachsen zu sein, so dass Carnages „Vater“ Venom nach New York zurückkehrt um seiner höllischen Brut ein für alle Mal ein Ende zu bereiten. Gemeinsam mit Black Cat und Spider-Man zieht er in die Schlacht gegen die verrückten Killer, wobei Spider-Man immer wieder von moralischen Zweifeln geplagt wird, da er sich nie wirklich sicher ist, wie weit er eigentlich gehen darf um sein Ziel zu erreichen und seinen Gegner endgültig zu besiegen.
Mit „Maximum Carnage“ erreicht auch Marvels Saubermann die düsternis der 1990er Comics. Alles muss schneller und brutaler werden und die Helden müssen auch tiefsinniger sein und über ihr eigenes Dasein sinnieren. Was aus der heutigen Zeit betrachtet eine Mode der Zeit war, war im Jahre 1993 der große Verkaufsschlager. In drei Monaten liefen alle Spider-Man Serie parallel um ein groß geplantes Massaker zu erzählen. Als Autoren konnte man dazu die regulären Schreiber gewinnen, denen damit keine leichte Aufgabe zufiel. Diese waren Tom DeFalco, J.M. DeMatteis, Terry Kavanagh und David Micheline, die sich vorher und auch später für hervorragende Geschichten verantwortlich waren. Auch die Zeichner der Geschichten waren zu diesem Zeitpunkt schon Größen, oder sind kurz danach in die Riege der Großen aufgestiegen. Zu diesen zählen Mark Bagley, Sal Buscema, Randy Emberlin, Ron Lim, Alex Saviuk und Tom Lyle.
Der Sonderband von Panini bietet hier den ersten Teil des Massakers. Dieses erscheint erstmals ungekürzt und in einer gelungenen Übersetzung. Ich habe nach der Lektüre erst mal wieder meine alten Condor Hefte aus dem Regal genommen und war sehr erschrocken über diese Veröffentlichung. Diese Ausgabe ist ein Genuss für die Fans von alten Stories und bietet einen guten Rückblick in die düstere Zeit der Comics.