Mit Lars Besa von der Punk-Band Normahl konnte ich via E-Mail ein Interview führen. Wir haben über Winnenden, die Band, Punk, Musik, Genres und mehr gesprochen. Viel Spaß beim Interview. — Das Interview erschien 2019 ursprünglich auf einer anderen Website. Lohnt sich dennoch weiterhin zu lesen. —
Hallo und willkommen zum Interview. Wie geht es Dir, wo bist Du gerade?
Hallo, ja, wir sind tatsächlich nach all den Jahren wieder mal Weihnachten zu Hause, was für die Familien, vor allem mit kleinen Kindern tatsächlich auch mal wieder schön ist.
Die Feiertage stehen vor der Tür. Was planst Du so? Familie, Band?
Wir werden zwischen den Jahren das eine oder andere Mal im Proberaum sein. Ansonsten ist das ja auch ne gute Zeit, um mal wieder ausgiebig in der einen oder anderen Kneipe abzuhängen.
In einem Interview, sagtest Du mal, dass es früher ein besetztes Jugendzentrum bei Dir im Wohnort gab. Kannst Du unseren Lesern mal einen Einblick geben? Gab es Repressionen? Wie lange blieb das Ganze bestehen? Was waren in Sachen Organisation die schwierigsten Probleme?
Obwohl Winnenden ja eine vermiefte Kleinstadt vor den Toren Stuttgarts war, so war es doch Ende der Siebziger und Anfang der Achtziger ein gewisser Hotspot der Punkbewegung im Südwesten. Insofern fanden hier auch sehr viele Punk-Konzerte im damaligen Jugendzentrum statt. Da zu dieser Zeit eine Selbstverwaltung von Jugendlichen, auch aufgrund der damaligen politischen Lage (RAF etc.) nicht gewollt war, nutzte der Staat jede Möglichkeit um selbstverwaltete Jugendhäuser zu schließen. Hierzu reichten bereits schon kleinste Reibereien mit den Bullen oder etwas ausschweifende Partys.
Nach der Schliessung wurde das Haus damals besetzt und in kompletter Eigenregie Konzerte und Veranstaltungen durchgeführt. Nach der Räumung hatten wir noch einige Jahre einen relativ selbstverwalteten Raum in der Winnender Innenstadt, die Punkbewegung aus den Anfangsjahren war aber relativ zerschlagen.
Du bist in einem handwerklichen Beruf tätig. Könntest Du von Normahl (mittlerweile) leben oder stellte sich die Frage gar nicht? Wieso hast Du / ihr diese Entscheidung getroffen? Und wie sehr berühren euch dann Vorwürfe in Richtung Abzocke, Kapitalismus, …?
Bei der Entscheidung NoRMAhl 1996 aufzulösen war ja einer der Hauptgründe, dass wir hauptsächlich keinen Bock mehr darauf hatten, uns weiterhin auf teilweise unterirdischen Konzerten oder Kirmesveranstaltungen zu verschleißen, nur um davon halbwegs überleben zu können. Denen die von Kommerz und Ausverkauf sprachen, wünschte ich damals schon gerne mal eine Tour ohne funktionierende Duschen, wo dir nach dem dritten Tag schon die Unterhose am Arsch klebt.
Insofern war die Reunion 2001 auch ein absolut klarer Schritt im Hinblick auf Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung und ein klarer Schritt auch wieder Spaß am Punk und am Musikmachen zu haben.
Würdest Du heute noch ein Stück wie Sacco und Vanzetti bewusst covern? Was war damals ausschlaggebend dafür?
Ich glaube, dass in Zeiten von immer mehr staatlicher Überwachung und Repression und der Entstehung von immer mehr totalitären Staaten, der Kampf dagegen nicht nur hoch gehalten werden muss, sondern noch viel intensiver dagegen gehalten werden muss.
Als wir dieses Lied gecovered haben, stand ja gerade die sogenannte Wiedervereinigung von Deutschland zu einer neuen totalitären Großmacht bevor – und man sieht ja heute wohin das alles geführt hat. Also: Klares Ja.
Ab 1985 (Harte Nächte) scheint euch die deutsche Wikipedia als Fun-Punk einzustufen. Was verwirrend ist, denn auf Blumen im Müll gibt es Sacco und Vanzetti, Deutsche Waffen, Auf, auf zum Kampf, Schlägerpolizist und Kein schöner Land. Um mal einige Beispiele zu nennen. Ihr macht aus beiden Elementen keinen Hehl, aber wie sehr nervt das, wenn in solchen Absolutismen geschrieben wird?
Ich glaube ja, dass der Begriff Fun-Punk von Vermarktungsprofis der Schallplattenindustrie eingeführt wurde, um den Weg für inhaltslose Punk-Bands zu öffnen.
Für mich ist Punk immer noch sich gegen Gewalt und Ungerechtigkeiten grade zu machen, aber eben auch Spaß, Saufen, Sex und Pogo. Ich bin froh, dass sich mein Leben nicht in schwarz und weiss teilen lässt. Deshalb werde ich Musik machen wie sie mir gefällt, egal wie man sie nennen mag.
Letztes Jahr hattet ihr euer 40-jähriges Jubiläum. Was habt ihr mit der Band unternommen? Gab beziehungsweise gibt es Pläne für ein weiteres Album? Stoff würde es ja – auch gerade auf politischer Ebene geben. Was wäre, wenn du wählen musst, Themen, die darauf enthalten sein würden?
Wir waren ja mit unserer „Diesel und Bier Tour“ ausgiebig unterwegs und haben auf dieser Tour ja auch unser aktuelles Live-Album aufgenommen. Auch hat sich durch den Wechsel an der Bassgitarre durchaus auch musikalisch einiges getan.
Stoff für politische Themen wäre, wie Du sagst, genügend vorhanden. Beim Fun-Punk tue ich mich aufgrund der verlängerten Ausnüchterungszeiten etwas schwerer.
Ich glaub aber schon, dass es mal wieder Zeit für ein neues Album wäre.
Während der Recherche kamen mir Begriffe wie Hausdurchsuchung und LKA bezüglich Normahl in die Quere. Ersteres wegen angeblich zu geringen Verdienst und letzteres wegen eines Missverständnisses bezüglich eines Liedes. Auch wenn es etwas her ist, magst Du das nochmal anreißen? Erzählen, was passiert ist? Wie war Dein Verhalten in den jeweiligen Momenten? Wie hätten diese sein sollen respektiv wie sollte man sich dabei verhalten?
Wir hatten ja bereits in den 80er Jahren ausgiebig Theater mit der Polizei, wobei sich das ja eher auf die klassischen Auseinandersetzungen im Häuserkampf oder Chaostagen belief.
Erst mit der „Wiedervereinigung“ ab Anfang der 90er Jahre kamen, hauptsächlich initiiert durch Staatsanwaltschaften aus Sachsen und Thüringen, eben diese Repressionen wie Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen oder sogar Auftrittsverbote hinzu, wie man sie eben aus totalitären Staaten wie z.B. der DDR kannte.
Auch an sogenannte Missverständnisse glaubte und glaube ich nicht, da sogenannte Rechtskonservative schon immer ein Problem mit freiheitlich denkenden Menschen hatten.
Da könnte ich jetzt noch Stunden darüber erzählen, was einem in diesem Land so alles passieren kann. Das würde jetzt aber den Rahmen sprengen.
Das Wichtigste bleibt: Niemals den Schwanz einziehen und grade bleiben.
Danke für das Interview. Die abschließenden Worte gehören Dir.
Immer weitergehn und: Punk bleibt keine Religion.