„Ketzer” ist der erste Band einer bisher dreiteiligen Serie von Stephanie Parris um den ehemaligen Mönch Giordano Bruno.
Dieser liebt als Philosoph das Lesen und Hinterfragen auch von Schriften, die die römische Kirche verurteilt, bevor er jedoch von der Inquisition verhört werden kann, flüchtet er aus seinem Kloster, und verdingt sich seitdem als Exkommunizierter seinen Lebensunterhalt mit Lehren an den verschiedenen Universitäten Europas. Jedoch immer wieder wird ihm seine Vergangenheit zum Verhängnis, und bevor er auffliegt, reist er weiter an einen neuen Ort. Auf diesem Wege ist er nun nach England gekommen, zum einen in dem Glauben, dass er in dem aufgeklärten Land unter Königin Elizabeth einigermaßen sicher sein kann, zum anderen ist er hinter einer ganz bestimmten Ausgabe eines Buches her, das er in England vermutet. Vom ersten Staatssekretär Englands, Sir Francis Walsingham, wird Bruno als eine Art Spion rekrutiert, der geheime Treffen von Katholiken ausfindig machen soll, um damit mögliche Verschwörungen gegen die Königin aufzudecken.
Eingeladen zu einer Disputation in der Universitätsstadt Oxford, bei der er die Lehren Kopernikus`verteidigt, muss Bruno allerdings feststellen, dass England gar nicht so aufgeklärt ist, wie es erst schien, und gerade in Oxford jeder einzelne engstirnige Gedanken und dunkle Geheimnisse mit sich zu führen scheint. Dann kommt es zu einem brutalen Todesfall, den zwar der Rektor der Universität gerne als Unfall herunterspielen möchte, bei dem es sich aber in Brunos Ansicht um einen eiskalten Mord handelt. Doch wer steckt dahinter, und mit welchem Motiv? Bruno beginnt zu ermitteln, und findet teils ungeheure Zusammenhänge. Jedoch werden ihm von allen Seiten Misstrauen und Furcht entgegengebracht, so dass er mit seinen Untersuchungen nicht weit kommt. Und dann geschieht nur zwei Tage später erneut ein Mord, unter ähnlich mysteriösen Umständen.
„Ketzer” ist der erste Band um die Abenteuer von Giordano Bruno, und der Leser erfährt zunächst in aller Kürze einiges über dessen Vergangenheit, also über seine Flucht durch Europa und warum er exkommuniziert wurde. Seine Rekrutierung als englischer Spion verlief dann sehr schnell, mehr Gewicht wird auf die Debatten in Oxford gelegt. Neben der eigentlichen Geschichte erfährt man sehr viel über den Zeitgeist, über Aberglaube und Angst vor Ketzerei, aber auch über die Angst vor allem Fremden. Wenn auch die Kirche untereinander zerrissen ist, ist der Mangel an Glaube bzw. der Glaube vor allem an die Wissenschaft fast noch ketzerischer. So steht Bruno mit seiner These, die Erde drehe sich um die Sonne zumindest in der Öffentlichkeit alleine dar. Die eigentliche Geschichte wird flott und spannend erzählt, trotz der teils längeren Abschnitte theologischer Diskussionen. Die Ängste vor Fremden und vor eigenen Gedanken, die eventuell nicht konform sind mit den gängigen Modellen, ist auch in der Universitätsstadt unter formal Gelehrten stark ausgeprägt.
Einziges Manko des Buches war für mich die Vielzahl an Namen, die nach und nach in den Kreis der Verdächtigen treten. Bruno trifft die Gelehrten zu einem Abendessen bei seiner Ankunft in Oxford, und dann treten sie teils erst wieder als möglicher Täter, Mitwisser oder gar als Opfer auf. Es mag sein, dass ich die entsprechende Passage zu ungenau überflogen habe, jedoch habe ich mich des öfteren bei einem wiederkehrenden Namen gefragt, wer er denn nun nochmal war. Das Ende ist dann sogar recht fulminant, und ich selbst hatte zwar einen Verdacht, wurde aber dann noch einmal genauso überrascht wie Bruno mit den letzten Wendungen.
Insgesamt ist „Ketzer” für mich ein spannender Kriminalroman des 16. Jahrhunderts, der die schnöselige Lehrtätigkeit in Oxford als recht engstirnig und berechnend entlarvt. Dabei wird ein gutes Gleichgewicht gehalten zwischen der Aufklärung der Mordfälle und des Näherbringens damals aktueller Weltansichten und theologischer Philosophien.