Im Januar 2021 wurde eine Rezension der Band Sperling bei monstersandcritics.de publiziert und für gut befunden. Das wurde zum Anlass genommen, mit Malte, Gitarrist, ein Interview per E-Mail zu führen. Wir sprachen über das Album „Zweifel“, das Cello und seine Bedeutung innerhalb der Band und einigen weiteren Themen. Viel Spaß beim Lesen. (Interview aus 2021; hier jetzt wiederveröffentlicht.)
Bitte stellt euch doch einmal unseren Lesern vor und erzählt ein wenig über die Entstehungsgeschichte der Band. Wie geht es euch aktuell in dieser seltsamen Zeit?
Hey! Ich bin Malte und spiele Gitarre bei Sperling. Wir fünf kommen aus dem Hunsrück in Rheinland Pfalz, machen vielleicht sowas wie Post-Hardcore/Indie und haben im Januar unser erstes Album „Zweifel“ rausgebracht. „Zweifel“ ist ein Produkt aus vielen Jahren Arbeit und persönlicher sowie musikalischer Entwicklung. Damit es so werden konnte wie man es heute hören kann, war viel Zeit notwendig. Thematisch geht’s genau darum: Zweifeln. Zu hadern, hinzufallen und wieder aufzustehen. Und eben auch darum, dass das Aufstehen nach manchen Stürzen vielleicht nicht möglich ist und das es okay ist wenn es so ist.
Wir haben das Album in einer Zeit rausgebracht in der es Künstlern nicht gerade leicht gemacht wird. Jedenfalls haben wir uns das so alles nicht vorgestellt als wir ein Jahr vorher mit der Releaseplanung angefangen haben. Eigentlich hatten wir uns eine große Releaseshow in unserer Heimat vorgestellt und eine anschließende Tour durchs Land mit angeschlossenem Festivalsommer. Das fiel halt alles weg, was für uns natürlich super traurig ist. Vor allem nach der Arbeit die wir investiert haben und weil es eben unser erstes Album ist – das passiert halt nicht nochmal. Wir bereuen die Entscheidung das Album genau dann rausgebracht zu haben allerdings nicht. Die Resonanzen waren umwerfend, sowohl von Fans als auch von den ganzen Reviews. Das hatten wir uns in dem Ausmaß auch nie erträumen können. Und das war auch wirklich ein schöner Trost für die ausgefallenen Shows.
Man kommt am Cello nicht vorbei. Tut man euch eigentlich einen Gefallen, wenn das erwähnt und damit auch hervorgehoben wird oder wie denkt ihr darüber?
Klar, das Cello ist auf jeden Fall eines unserer Alleinstellungmerkmale. Das hören wir natürlich oft und das hören wir auch gern! Allerdings haben wir uns nie zum Ziel gesetzt, das Cello besonders prominent in Szene zu setzen oder „die Band mit dem Cello“ sein zu wollen. Wir sehen uns viel mehr als eine Band in klassischer Rockband-Besetzung und anstatt zwei Gitarren gibt es halt ein Cello und eine Gitarre. Musikalisch geht’s bei uns eh nicht darum einzelne Elemente hervorzuheben, sondern Songs zu schrieben die für sich funktionieren.
Rheinland-Pfalz, wo ihr herkommt, ist ein ziemlich weitläufiges Bundesland. Wie schwer ist es euch gefallen, dort Fuß zu fassen und wo wurdet ihr musikalisch sozialisiert? Welche Clubs haben euch wo geprägt und wie habt ihr diese erreicht?
Weitläufig trifft es echt gut. Wir kommen alle aus kleinen Orten aus dem Hunsrück und eine Szene gibt’s hier einfach nicht. Vielleicht ein paar Sportfreunde Stiller Coverbands. Und eben das Nichtvorhandensein einer speziellen Szene hat uns glaube ich so zusammengebracht. Es gab also nie irgendwas woran man sich messen konnte, also haben wir einfach unser Ding gemacht und ich bin sicher, dass es Sperling nicht geben würde wenn wir fünf in Berlin zusammen Musik gemacht hätten. Da war der Hunsrück schon maßgeblich mitverantwortlich. Auch, dass man nicht einfach sagen konnte „Ich geh heute Abend in den Club ne Band schauen“. Wenn es mal auf eine Show nach Wiesbaden in den Schlachthof oder in die Essigfabrik nach Köln ging war das halt einfach ein Event.
Was trotzdem gut in Rheinland-Pfalz ist, ist die Förderung unserer recht kleinen Popkulturszene durch die Organistation „popRLP“ in Koblenz. Diese Leute halten die Musiker und Bands hier sehr gut zusammen, vernetzen, fördern und veranstalten Konzerte. Wir sind all die Jahre schon in sehr gutem Kontakt. Durch sie konnten wir schon viele Konzerte in Koblenz und Mainz spielen und auch hören. Zum Beispiel im Club Circus Maximus oder bei Veranstaltungen auf der Festung Ehrenbreitstein in Koblenz.
Als jemand mit Depressionen interessiert mich das Innenleben besonders. Welche Bedeutung hat dieses sehr umfassende Thema bei „Zweifel“? Befasst ihr euch damit als Betroffene oder eher als „Außenstehende“ / „Forscher“?
Wie eben schon angesprochen geht es auf „Zweifel“ viel um Unsicherheiten. Ums Allein sein, um Ängste und den Umgang damit. Einfach darum, dass eben nicht alles immer so schön ist und dass positives Denken zwar bestimmt toll ist aber einem aus manchen Löchern einfach nicht raus hilft sondern einen liegen lässt. Zweifeln ist also etwas was in unserer Band jeden betrifft und womit jeder von uns seine eigenen persönlichen Erfahrungen sammelt und gesammelt hat. Das tolle an dem Album und vor allem an Jojos Texten ist, dass er mit den Zeilen mit denen er seine Erfahrungen beschreibt uns allen aus der Seele spricht. Ich finde allerdings auch, dass in seinen Texten ziemlich viel Hoffnung steckt – die vielleicht nicht direkt beim ersten Hören zu erkennen ist. Jedoch merkt man irgendwann, dass es eben noch anderen Menschen so geht und es immer eine Leiter aus dem Loch heraus gibt.
Wo wurde das Album aufgenommen und welche Themen werden darauf behandelt?
Aufgenommen wurde Zweifel in mehreren Blöcken und an verschiedenen Orten. Einer dieser Orte war unser Proberaum in Emmelshausen. Da hatten wir mit unserem Produzenten Beray die Vorproduktion gemacht und auch direkt zwei Songs für die Platte mitgenommen. Ein weiterer Song wurde in Duisburg in der Tresorfabrik aufgenommen und der Rest im Toolhouse Studio in Rotenburg an der Fulda plus ein paar Nachbesserungen in Berays Schlafzimmer.
Das Thema Zweifel haben wir thematisch ganz weit in den Vordergrund gestellt. Schon bevor wir wussten, dass das Album so heißen wird. Die Texte drehen sich nämlich darum, mit sich selbst nicht im Reinen zu sein, davor Angst zu haben die falschen Entscheidungen zu treffen und sich klar zu machen, dass man auf viel weniger Dinge Einfluss hat als es einem lieb wäre.
Euer Release „Zweifel“ ist schon eine Weile her. Wie war bisher das Feedback und seid ihr zufrieden damit?
Wir sind wahnsinnig zufrieden und wurden regelrecht überrumpelt von Reviews, Interviewanfragen, Podcasts und Resonanz auf Instagram, YouTube, unserem Bandhandy etc. Damit haben wir echt nicht gerechnet! Vor allem bei unserem ersten Album und dann noch mitten in der Pandemie. Das war echt krass und für uns auch komplett Neuland.
Das größte Kompliment für uns war als uns jemand geschrieben hat, dass ihn unsere Songs und die Texte so berührt und ihm so die Augen geöffnet haben, dass er jetzt sein Leben endlich so umkrempeln konnte, einen neuen Job hat und aus dem Loch rausgefunden hat. Davon waren wir wiederum total berührt, weil wir gecheckt haben, dass unser Album somit einen viel krassenen Impact auslösen kann als wir es uns jemals gedacht hätten, aber es eben genau das ist, was wir im besten Falle bewirken wollten!
Daher danken wir allen krassen Zuhörer:innen und Schreiber:innen von ganzem Herzen!
Die seltsamen Zeiten werden von Künstlern für produktive Phasen genutzt. Ist das bei Sperling auch so, obwohl kürzlich erst ein Longplayer erschienen ist?
Obwohl wir im letzten Jahr so wenig Musik zusammen gemacht haben wie noch nie und uns auch so selten nur in Person sehen konnten, sondern eher jeden Abend auf Zoom oder Facetime, war 2020/21 wahrscheinlich die produktivste Zeit in unserer kleinen Bandgeschichte. Wir legen einen hohen Wert darauf viele Dinge selbst zu machen, sind aber auch ein bisschen tapsig und arbeiten oft mit viel zu viel Energie an Themen die vielleicht gar nicht so wichtig sind. Das hat sich im letzten Jahr sehr geändert als wir angefangen haben mit unserem Label Uncle M zusammen zu arbeiten. Wir haben immer noch extrem viel selbst in der Hand, haben nur jetzt jemanden der uns bei vielen Dingen an die Hand nimmt und uns sagt wann wir Quatsch machen und wann wir an was Gutem dran sind und uns da dann auch sehr unterstützt. Seit das Album draußen ist hat sich das auch nicht geändert. Wir arbeiten mit der gleichen Energie schon an den nächsten Sachen für dieses Jahr!
Eines eurer Bandmitglieder kommt aus dem Pflegebereich. Was nervt Dich gerade am meisten in dieser Zeit? Wie läuft es bei Dir generell und mit dem Impfen?
Genau, unser Rapper Jojo ist Altenpfleger. Das Impfen bei ihm in der Einrichtung lief ganz gut, es haben alle gut vertragen.
Es gibt natürlich (wie in allen Einrichtungen) extremen Fachkräftemangel, viele Krankmeldungen, Leute die in Rente gehen und halt keine neuen Leute die nachkommen.
Aber zum Glück gab es bisher noch keine Corona-Fälle – also könnte es auch schlimmer sein. Am nervigsten ist halt der Personalabbau, die sich andauernd ändernden Auflagen, Angehörige die sich nicht an die Regeln halten und dass durch Corona viele Pflegeprodukte (wie Handschuhe oder Masken) erst spät oder teilweise gar nicht geliefert werden.
Worauf freut ihr euch alle am meisten in der Zukunft?
Live spielen und wieder zusammen proben!
Hier ist noch Platz für eure Worte an unsere Leser:innen.
Hallo du! Danke, dass du dir die Zeit genommen hast dir das hier durchzulesen!
Unser neues Album „Zweifel“ ist ab jetzt draußen und freut sich über jeden Hörerin. Wenn dir gefällt was wir machen und du Lust hast uns zu unterstützen, dann schau doch mal bei uns im Shop vorbei unter „shop.uncle-m.com/sperling.html“. Da gibt’s das Album als Vinyl und CD und ein bisschen was zum Anziehen.
Außerdem haben wir auch einen Bandhandy-Newsletter (0175-2818556), über den wir immer mal wieder exklusive Infos oder Material raushauen. Schieß uns per WhatsApp gern eine Nachricht – Luca wird dir dann antworten.
Ansonsten, bleib gesund und passt aufeinander auf!