Der Mord an Abel war nach der Bibel der erste Mord in der Geschichte der Menschheit. Wie es dazu gekommen ist, kann man in der Bibel nachlesen. Dennoch bietet dieser Mord einen Aufhänger für alle weiteren Morde die danach geschehen sind. Daher bedienen sich auch Autor Serge Le Tendre und Zeichner Guillaume Sorel für ihre neue Comicreihe „Ich habe…“ dieses ersten Mordes und beginnen den Fünfteiler mit dem Mord am Sohn von Adam und Eva. Dennoch beginnt die Geschichte ganz anders als erwartet.
Bei der Hochzeit seiner Tochter Anatu wird der fromme Hirte Hamor von Soldaten von König Nebunezar abgeholt. In der Hauptstadt Babylon soll sich Hamor vor dem großen König niederbeugen und ihn als König anerkennen, oder er wird in einen Topf mit brennendem Öl geworfen. Die Reise dorthin ist schwer und Hamors Reisebegleitung ist nicht gerade angenehm. Einer der wichtigsten Hinweise den Hamor erhält ist, dass der König nicht gnädig ist und dass er jede unwillkommene Einmischung sofort bestraft.
In Babylon angekommen wird Hamor sofort zu König Nebunezar geführt. Hamor wendet sich sofort an den König und spricht ihn direkt an. Nun muss er mit den Konsequenzen der Ermordung einer jungen Sklavin leben, die sofort vom König hingerichtet wurde. Nebunezar hat schon von Hamor gehört und wollte ihm eine kleine Lektion erteilen, bevor er ihm durch das Einsetzen Hamors als seine rechte Hand eine noch größere Lektion erteilt.
Von nun an muss Hamor alle Gräueltaten des Herrschers aus erster Hand miterleben. Zu einer seiner brutalsten Taten gehört die Unterwerfung Jerusalems. Dort vernichtet Nebunezar alle Menschen, außer den Priestern, die er als Mahnung am Leben lässt. Hamor ist verstört und denkt an Flucht. Leider misslingt dies, so dass er ohne zu ahnen, sein eigenes sowie das Schicksal seiner Familie besiegelt hat. Denn der König stellt jeden auf die Abschussliste, der Hamor hilft zu überleben.
Mit dem ersten Teil der „Ich habe…getötet“ Reihe nehmen sich Le Tendre und Sorel einen der ersten Morde in der“Geschichte“ der Menschheit als Ausgangspunkt und spinnen eine weiterführende Geschichte um diesen. Als Hauptfiguren dienen der fromme Hamor und der brutale König Nebunezar, die als Licht und Schatten in dieser Geschichte agieren. Dennoch lodert auch eine Dunkelheit in Hamor, die der König durch seine Handlungen versucht hervorzurufen.
Der nun bei Splitter erschienene Band „Ich habe Abel getötet“ ist eine gut durchdachte und auch gut erzählte Geschichte. Le Tendre ist es gelungen mich als Leser schon von Beginn an zu fesseln. Die Geschichte fängt sofort spannend an und bleibt auch bis zur Wendung am Ende auf einem spannenden Niveau. Man kann kaum erahnen, welche Teufelei sich Nebunezar auf der kommenden Seite für den friedlichen Hamor ausgedacht hat. Dieses wird auch unterstützt von den atemberaubenden Zeichnungen von Guillaume Sorel, dem es gelingt die Figuren einzigartig erscheinen zu lassen, aber auch die jeweiligen Hintergründe zur passenden Stimmung darzustellen. So ist die Umgebung in Hamors Dorf als friedliebend zu betrachten, während die Umgebungen in Babylon und bei Hofe immer erschreckend dargestellt ist – selbst wenn Hamor alleine ist.
Nach diesem großartigen Auftakt bin ich sehr gespannt auf den zweiten Band der Geschichte, mit dem Titel „Ich habe Franz Ferdinand von Österreich getötet“, ein weiterer Mord der die Geschichte der Welt in ihren Grundfesten erschüttert hat.