Die letzte Zeit war sehr turbulent in der kleinen Ortschaft Grantchester. Nicht nur, dass sich Pfarrer Sydney Chambers (James Norton) und sein Polizistenfreund Geordie Keating (Robson Green) mächtig in die Haare gekriegt haben und die Freundschaft der beiden auf der Kippe stand, auch brachte die hochschwangere Amanda (Morven Christie) ihre Tochter auf die Welt.
Nun ist einige Zeit vergangen und alles hat sich wieder einigermaßen eingerenkt. Doh schnell stehen neue Probleme vor der Tür. Die Staffel 3 von „Grantchester“ könnte, ähnlich wie es im making-of benannt wird, als Untertitel „zwischen Liebe und Pflicht“ tragen. Und diese Entscheidung muss tatsächlich jeder der uns allen so liebgewonnen Hauptcharaktere der Serie für sich treffen.
Aber eine Entscheidung für etwas bedeutet in der Regel auch eine Entscheidung gegen etwas anderes, so kommt es in dieser Staffel zu vielen Gefühlsachterbahnen, aus denen nicht alle mit heiler Haut herauskommen.
Sidney kommt in eine gewaltige Glaubenskrise, Geordie muss sich und den Stellenwert seiner Familie hinterfragen, Leonard (Al Weaver) verlobt sich durch Druck vom Erzbischof, und Mrs. M. (Tessa Peake-Jones) sieht ihren seit 10 Jahren verschollenen Ehemann wieder- jedoch nicht mit einem guten Ende, obwohl es ihr dann endlich auch mal vergönnt sein wird zu lächeln.
Parallel zu den privaten Geschichten laufen natürlich noch die Kriminalfälle, die erneut teils knifflig, teils eher etwas nebensächlich erscheinen. Ihnen allen gemeinsam ist aber eine gewisse Kritik an der Gesellschaft der 50er Jahre. Seien es Bestechungen bzw. Vergünstigungen unter Freimaurern, oder ganz besonders die Stellung der Frau oder anderer Minderheiten zu dieser Zeit.
Amanda steht hier für die geächtete alleinerziehende Mutter, die ihren Mann verlassen hat. Doch auch die eigentlich äußerst intelligente Margaret Ward (Seline Hizli) darf in der Polizeiwache nur die Sekretärinnenarbeit machen. Sehr drastisch verlief die erste Folge. Angeblich ungehorsame Kinder wurden in eine Psychiatrie eingeliefert- oder besser: ausgeliefert.
Ähnlich ohne Rechte zeigte sich in der zweiten Folge die Stellung von Ausländern, hier im speziellen der Pakistani. Die dritte Folge zeigte die Ohnmacht einer Frau gegenüber den Übergriffen ihres Chefs, in der vierten Folge durfte eine nicht-standesgemäße Beziehung nicht stattfinden.
Die fünfte Folge verlässt sogar kurzzeitig das Dorf Grantchester und findet in einem Camp der Roma statt- mit ihren ganz eigen Regeln und Sitten. Der sechste Fall ist eindeutig der schwächste, und wurde neben den ganzen persönlichen Nöten der Hauptcharaktere zum absoluten Nebenschauplatz. Und dass, obwohl es ganz dramatisch um eine Kindesentführung aus einem Haushalt ging, in dem der Junge wohl vernachlässigt worden ist.
Hier wäre sehr viel mehr Raum für diesen Fall und vor allem die so seltsam prompte und irgendwie nicht ganz nachvollziehbare Auflösung des Falles angebracht gewesen.
Ansonsten zeigt die dritte Staffel von „Grantchester“ alles, was man an dieser Serie so liebt: ein verschlafenes Dorf in den 50er Jahren, das trubelige London, in das Jazz und Rock´N´Roll einziehen. Dazu die Zwänge und Nöte der Gesellschaft und das wunderbare Zusammenspiel des Pfarrers und des Inspektors, was die Serie seit Beginn schon ausgemacht hat.
Meine Meinung: 9 von 10 Punkten