Der Musiker Grafi hat kürzlich sein neuestes Studioalbum “Blüten und Frost” veröffentlicht. Einflüsse sind darin zur Genüge zu hören und zu erkennen. Und von wem genau? Na ja, es steht der Rap im Fokus, aber dennoch sind Metal-Gitarren aller Art zu hören. Es wird auf Beats gerappt, aber auch das Geschrei aus dem Metalbereich kommt nicht zu kurz. Genügend Erfahrung konnte Grafi schon in mehreren Bands finden. Welche das sind, erzählt er in diesem Interview. Natürlich auch über die Themen auf dem Longplayer, Einflüsse und mehr. (Anmerkung: Interview wurde nach dem Album-Release in 2022 geführt und ist hier jetzt wieder online. Die Review ist nach dem Interview verlinkt.)
Hallo. Wie geht es Dir gerade?
Hi! Gerade ganz gut, da mein Baby aka Album endlich draussen ist und ich das Ganze mit meinen Leuten und den Hörern da draussen auf meinem Record Release letzte Woche in Berlin nochmal zelebrieren konnte. Dadurch ist die Stimmung gerade ziemlich friedlich und glückselig.
Viele Künstler nennen ihre aktuellen Alben “ihr Corona-Album”, weil vieles mit eingeflossen ist an Erfahrungen, wiles in dieser Zeit entstanden ist etc. Wie sieht das bei Dir aus?
Ich denke die Lockdown/Corona-Phase hatte einen Einfluss auf fast alle von uns, daher ist es sicher auch mit eingeflossen, da meine Songs fast immer ein Spiegel der Entstehungszeit sind. Freundschaften, Enttäuschungen und Selbstreflektion sind auf jeden Fall ein großer Teil der Inhalte.
In Interviews mit Dir ist oft von einer strengen, christlichen Erziehung zu lesen und den damit einhergehenden Grenzen. Gab und gibt es auch Erwartungshaltungen, die Du erfüllen “solltest” / “musstest” und wie ist Dein Umgang heute damit?
Ja, ich bin sehr konservativ und christlich erzogen worden. Ich musste mind. einmal die Woche in die Kirche, sollte auch ministrieren und hatte strenge Regeln zu Hause. Ich denke es hat mich zwar in manchen Punkten auch gut für das Leben konditioniert und auf Verpflichtungen vorbereitet, andererseits musste ich dadurch aber auch sehr lange daran arbeiten, dass es okay ist auch mal “Nein” zu etwas zu sagen. Ich denke dadurch war für mich Musik und Texte schreiben auch schon damals ein Ventil, meine rebellische Seite auszuleben. Battle-Rap oder aber auch Schreigesang ist auf jeden Fall ein gutes Ventil, Druck abzulassen!
Seit ich von der Pflegefamilie weg bin, bin ich auch nicht mehr in den Gottesdienst gegangen. Für mich spielt Religion keine Rolle mehr! Die Ästhetik in Bildern, Architektur, Metaphern und Worten hat aber sicher auch Einfluss auf mich und meine Kunst genommen.
Wenn ich es korrekt verstanden habe, spielen bei Dir auch mental health Themen eine Rolle. Magst Du erzählen, welche genau und in welchen Songs auf dem aktuellen Album diese angeschnitten werden? Und warum ist Dir das so wichtig?
Da Musik und Texte schreiben für mich ein Ventil und oft aus einer sehr introvertierten Persektive geschrieben ist, geht es auch sehr oft um Mental Health. Wenn mir etwas auf der Seele brennt ist es einfach der schnellste Weg, dass ganze aufzuschreiben um damit ein Stück abschließen zu können. Ich versuche dabei eigentlich auch nicht zu sehr rumzuheulen, sondern versuche zu reflektieren, Emotionen auszudrücken und damit dem Hörer vielleicht etwas Empathie zu geben. In “Mausoleum” beschreibe ich den eigenen Todestag und die Überlegung, was sich dadurch verändert oder eben nicht. Mit dem Thema Tod habe ich mich nun schon sehr lange auseinandergesetzt, da ich eine Zeit lang sehr viel Angst vor diesem Moment hatte. Der Grund dafür war auch, dass ich 2014 mehrere Schlaganfälle inklusive Nahtoderfahrung hatte, was bei mir sehr viel verändert hat.
In “20 Messer” und “Red Drama” geht es um Überforderung, wenn alles zuviel wird und darunter Freundschaften/Beziehungen leiden.
Würdest Du sagen, dass es bestimmte Künstler oder sogar spezifische Alben gibt, die Dich auf dem aktuellen Album “Blüten und Frost” im Besonderen beeinflusst haben? (Sowohl bezogen auf Musik als auch auf Texte.)
In den Sound haben KCVS (Beatproduzent) und ich eigentlich alles einfließen lassen, was uns bewegt und inspiriert. Das können Doom Gitarren wie bei JESU sein (Red Drama), Shred-Riffs die man eher aus dem Black Metal kennt, aber auch alte CHIEF KEEF Mixtapes (Keine*r von uns) oder Witch House im Style von CRIM3S oder SALEM (Ich bleibe). Es sind, denke ich, zu viele Alben und Artists die einen Einfluss genommen haben. Der Chor beim Eröffnungstrack war z.B. inspiriert von SADNESS oder UNDEROATH. Manchmal hört man etwas interessantes in einem Track und fragt sich “Wow, wie kann ich so etwas ähnliches kreieren ohne zu kopieren? Wie kann man daraus etwas eigenständiges erschaffen und es auf die eigene Musik übertragen?” Dann entstehen bewusst oder aber auch mal unterbewusst bestimmte Parts.
Du bist sicherlich ausreichend mit Grafi beschäftigt. Aber würdest Du generell ausschließen, dass es nie wieder so etwas wie Fuck Your Shadow From Behind oder Ära Krâ gibt respektiv geben wird?
Ich genieße es auf jeden Fall nur mit einer Person an meinen Songs zu arbeiten, da es dadurch intimer, geradliniger, schneller und generell unkomplizierter ist. Manchmal vermisse ich aber auch die Bandzeiten, da man alles geteilt hat. Ich bin aber sehr zufrieden mich musikalisch ohne Scheuklappen ausleben zu können. Live-Drums würde ich gerne zukünftig mehr einbinden, dass ist eine kleine Vision. Wenn es sich richtig anfühlt könnte aber auch mal wieder ein Bandprojekt kommen.
Wo können Hörer:innen Dich mal in nächster Zeit live sehen?
Wir sind derzeit damit beschäftigt Festival-Auftritte für 2023 zu klären. Im Moment stehen noch keine Dates fest, aber das kommt sicher sehr bald!
So, das war es schon. Hier ist Platz für alles, was ich vergessen habe oder einfach als Werbemöglichkeit nutzen. Danke für das Interview.
Danke ebenfalls! Mein neues Album “Blüten und Frost” ist seit Ende November draussen! Hört euch das an, ist denke ich ein guter Begleiter für die dunkle Jahreszeit! Ansonsten bleibt gesund, passt auf euch auf und geht jeden Tag mal an die frische Luft, auch wenns kalt ist! 😉
Unsere Review zum Studioalbum könnt ihr hier nachlesen.