„Tote Vögel fliegen nicht” ist der neueste Band von Alan Bradley über die junge Flavia de Luce. Bereits mehrfach hat sie ihr Können im Aufklären von Verbrechen beweisen, möglich nicht zuletzt auch aufgrund ihrer Liebe für alle chemischen Prozesse und Gifte aller Art im Speziellen. Und das mit gerade Mal elf Jahren.
In diesem Band nun wird Flavia selbst aber auf eine große Probe gestellt. Ihre seit 10 Jahren vermisste Mutter Harriet wurde in Tibet in einer Gletscherspalte tot aufgefunden. Und nun beginnen die Probleme, hat doch seit 10 Jahren niemals wirklich über ihre Mutter gesprochen. Flavia selbst hat nun die traurige Gewissheit, ihre Mutter nie kennen lernen zu können, und neidet ihren älteren Schwestern zumindest dieses Privileg, eigene Erinnerungen an sie zu haben. Doch auch wenn sie älter sind, so können Feely und Daffy doch mindestens genauso wenig mit dem Tod ihrer Mutter umgehen. Fast noch schlimmer geht es Flavias Vater, für den eine Welt zusammenbricht. Nicht nur, dass Buckshaw, das Anwesen der de Luces, aus finanzieller Not nicht mehr gehalten werden kann, so hat er nun auch die Hoffnung verloren, seine geliebte Harriet noch einmal wiederzusehen.
Zur Beerdigung kommen viele Menschen, nicht nur fast alle Dorfbewohner, auch viele Fremde, unter anderem sogar auch der ehemalige Premierminister Churchill, der Flavia die mysteriöse Frage stellt, ob sie auch schon eine Vorliebe für Fasanensandwiches entwickelt habe. Flavia ist verwundert, über den Sinn der Frage, wird aber kurz darauf abgelenkt von dem Tod eines Fremden, der ihr erst kurz vorher auf dem Bahnsteig eine ebenso seltsame Botschaft zugeflüstert hat. Und dann wird der Fremde vom Zug überrollt. Ein Unfall?
Zu Hause auf Buckshaw findet Flavia eine alte Filmrolle, und nach dem Entwickeln kann sie tatsächlich noch einmal ihre Mutter dabei beobachten, wie sie mit ihrem Vater schwimmen geht und hochschwanger mit ihren Schwestern spielt. Und dann dreht sie sich plötzlich zur Kamera und formt das Wort „Fasanensandwich”. Oder doch nicht? Was sagt sie sonst? Und wie hängt das mit Churchills Frage zusammen?
Flavia beginnt zu ermitteln, und kommt einigen seltsamen Machenschaften auf die Schliche- auch was die Vergangenheit ihrer Eltern betrifft.
Für meinen Geschmack ist dieser Band zwar eher ungewöhnlich in der Flavia de Luce- Reihe, aber nichtsdestotrotz ein wahres Lesevergnügen. Im Vordergrund stehen diesmal nicht unbedingt die Ermittlungen in einem Todesfall, sondern eher die eigene Trauerverarbeitung und das seltsame und distanzierte Gefüge in der Familie de Luce. Man erfährt einige Dinge, die in den anderen Bänden oftmals nur angedeutet werden, unter anderem die Vorgeschichte vom Diener Dogger, der seit dem Krieg nicht immer bei vollem Verstand ist. Etwas schade finde ich, dass die Mordermittlung, obwohl die Überführung des Mörders durchaus für die Geschichte wichtig ist, ziemlich außer Acht gelassen wird. Schlussendlich wird der Mörder durch die Polizei gestellt. Dafür kommt Flavia vielen Familiengeheimnissen auf die Spur, wobei einige dann doch etwas sehr konstruiert erscheinen. Schade. Denn bis auf diese wenigen Dinge war das Buch nämlich gewohnt gut zu lesen.
Mit Freude sieht man Flavia beim Testen ihrer Theorien zu, und leidet mit ihr, wenn ihre Schwestern wieder mal gemein zu sind, oder ihre Trauer über ihre Mutter riesig erscheint. Immer wieder muss man sich daran erinnern, dass da eine neunmalkluge Elfjährige agiert, und das macht einige Begegnungen und Begebenheiten nur umso abstruser.
Insgesamt also ist „Tote Vögel singen nicht” ein absolut lesenswertes Buch. Gespannt bin ich auf eine mögliche Fortsetzung. Bekommt Flavia eine neue Ausbildung im Sinne einer (Achtung Spoiler) Art Geheimgesellschaft?