Proctor Bennett ist ein Fährmann. Dies ist in der schönen Inselstadt Prospera aber nicht nur irgendein Beruf bei dem man Schiffe lenkt. In Prospera ist der Fährmann die Person, die Menschen deren Lebenszeit zu Ende geht bis zum Boot begleitet, welches sie auf die geheimnisvolle Nachbarinsel Nursery bringt. Dort werden die Menschen dann rebootet und in ein neues Leben gebracht. Wie dieses geschieht ist nicht bekannt, ist aber schon seit vielen Generationen ein bewährtes Mittel in Prospera.
Eigentlich liebt Proctor seinen Job. Er hat schon vielen Menschen geholfen den Weg mit der Fähre anzutreten und ein neues Leben zu beginnen. Doch heute scheint irgendetwas anders zu sein. Proctor ist aufgewühlt, da er seltsamerweise in dieser Nacht einen Traum hatte, obwohl er nie träumt. Dann trifft er am Strand noch die seltsame Caeli, die er zwar nicht kennt, die sich von ihm aber das Schwimmen beibringen lassen möchte. Zu allem Überfluss hat er heute auch wieder einen Termin als Fährmann. Diesmal ist es aber niemand unbekanntes, sondern sein eigener „Vater“, beziehungsweise die Person, die er nach Verlassen der Nursery als Vater kennengelernt hat.
Eigentlich sollte dies kein Problem für ihn sein, da er schon öfter ihm bekannte Personen den Übergang erleichtert hat, doch irgendetwas bei seinem Vater ist anders. Trotz seines Alters von über 100 Jahren scheint noch etwas Kampfgeist in ihm zu stecken und so ergreift er am Hafen einfach mal die Flucht. Während Proctor gegen einen Wachmann kämpft, der unangemessene Gewalt gegen den alten Mann anwendet flüstert sein Vater ihm einen letzten verzweifelten Satz zu „Es ist alles Oranios“.
So etwas hat Proctor noch nie gehört und daher beginnt er im Privaten mit seinen Nachforschungen. Dieses stößt aber nicht unbedingt auf Gegenliebe und schon bald werden seine Vorgesetzten darauf aufmerksam. Zuerst wird Proctors seltsames Verhalten einzig auf den Verlust des Vaters geschoben, doch schon bald ändert sich diese Ansicht und aus Proctor wird ein Feind des Systems, der nicht mehr in ihre Gesellschaft passt und zurück in die Nursery zum Reboot muss.
Fast gleichzeitig entwickelt sich ein Aufstand auf Annex, der dritten Insel des Gebiets, auf dem die Menschen der niederen biologischen und sozialen Herkunft leben. Diese verrichten die unangenehmen Arbeiten auf Prospera und werden von den Prosperanern ähnlich wie Sklaven behandelt. Doch nun scheint das Fass übergelaufen zu sein und eine kleine religiöse Gruppe plant einen Umsturz des Systems. Allen voran Mutter und Papi, die durch planerisches und rhetorisches, aber auch durch künstlerisches Geschick die Massen für sich einnehmen können. Doch wie soll sich dieses seit Generationen vorherrschende System so einfach ändern?
Mit seinem Roman „Ferryman – Der Tod ist nur der Anfang“ veröffentlicht Autor Justin Cronin eine mehr als düstere Dystopie. Wie immer bei dieser Art der Geschichte beginnt alles in einer mehr als wunderbaren Utopie. Doch schon bald merkt der Protagonist in der Geschichte, dass nicht immer als Gold ist, was glänzt und langsam beginnt das perfekte System zu bröckeln.
Schon ab der ersten Seite gelingt es Cronin uns als Leser zu fesseln. Wer ist diese Frau die dort ihr Leben beschreibt und warum geht sie am Ende des Prologs diesen Schritt? Danach wird es aber etwas ruhiger und Cronin nutz die nächsten Seiten um durch Proctor als „Ich-Erzähler“ die drei Inseln und das System der Inseln zu erklären. So weiß man zu Beginn schon in was für einer Welt man sich befindet und wie die Regeln dort sind.
Nun wird die Handlung aufgebaut und neben Proctor gibt es auch noch seine Familie und Freunde, die mit und gegen ihn agieren, aber auch die schöne und faszinierende Thea, die sich auf Annex wohler fühlt als auf ihrer eigenen Insel. Das Leben dort kommt ihr seltsam und steif vor und mit der Zeit beginnt sie auch andere Menschen (allen voran Proctor) von ihren Ansichten zu überzeugen.
Mit „Ferryman“ hat Cronin es geschafft auf über 700 Seiten einen hervorragenden und vor allem vielschichtigen Genremix zu veröffentlichen. Beim Lesen hat man immer wieder Anknüpfungspunkte an bekannte Erzählungen und Filme wie Beispielsweise „Die Insel“, „Soilent Green – Die überleben wollen“, „Matrix“ aber auch Anspielungen auf den Genreklassiker „1984“ lassen sich hier wiederfinden. Doch dies ist alles nur Fassade, denn unter der Oberfläche wartet noch etwas viel schlimmeres und viel verstörenderes auf die Bewohner der drei Inseln. Was genau wird hier aber noch nicht verraten.
Ich muss zugeben, dass ich zu Beginn wirklich gefangen war in der Geschichte, dieses aber recht schnell auch wieder nachgelassen hat. Zu vieles, was mir nur allzu bekannt aus anderen Geschichten und Filmen war. Dennoch hat Cronin es geschafft mich wieder in seiner Geschichte zu fangen, so dass ich den Roman ab einem bestimmten Punkt gar nicht mehr aus der Hand legen konnte. Generell ist es aber eine gelungene Dystopie, die am Ende auf etwas völlig anderes hinausläuft und so für den besonderen Twist sorgt.
Meine Meinung. 8 von 10 Punkten