In ihrem Debütroman „Elizabeth wird vermisst” gibt Emma Healey Einblicke in das Leben der Protagonistin Maud. Diese ist mit dem Alter in letzter Zeit zunehmend vergesslich geworden, vor allem das Kurzzeitgedächtnis macht ihr Schwierigkeiten. Noch kann sie alleine in ihrem Haus leben- dank der Hilfe von Pflegekräften und ihrer Tochter, die mehrmals täglich neben ihrem Job und ihrer eigenen Tochter nach ihrer Mutter sieht.
Für Maud ist es seltsam, immer wieder fremde Menschen in ihrem Haus zu finden. Jedoch bemerkt sie teils ganz genau, wenn es wieder „schwammig und nebelig in ihrem Kopf” wird. Schnell macht sie sich dann Notizen über das, was sie gerade gedacht hat oder tun wollte. So finden sich in ihrem Haus überall Hunderte kleiner Zettel, wobei sich Maud oft fragt, was das soll. Dann jedoch stimmt etwas nicht. Maud kann es nur ganz schwer greifen, aber wenn sie sich erinnert, dann schreibt sie es sofort auf. Und so findet sie viele Zettel mit der Aufschrift „Elizabeth wird vermisst”.
Elizabeth ist eine alte Freundin, mit der sie immer viel Zeit verbracht hat, und die sie nun nicht finden kann. Sie geht nicht ans Telefon und zu Hause ist sie auch nicht. Und so macht sich Maud auf die Suche mach Elizabeth- mit all den Tücken, die es mit sich bringt, wenn man ständig vergisst, was (oder wen) man eigentlich sucht.
So macht sie nicht nur ihre Tochter und den Sohn von Elizabeth verrückt, sondern versucht auch bei der Polizei eine Anzeige zu erstatten- mehrmals. Während der langen Suche nach Elizabeth driftet Maud immer wieder in Erinnerungen an ihre Kindheit ab. Damals in der Nachkriegszeit verschwand ihre geliebte Schwester Sukey spurlos.
Auch damals machte sie sich auf die Suche, und erinnert sich an jeden einzelnen Schritt. Schwierig wird es, als sich für Maud die Zeiten vermischen. Was ist nun Realität und was die Vergangenheit? Wen sucht sie nochmal? Und warum schauen sie die Menschen immer so mitleidig an?
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Zum einen wird wirklich extrem einfühlsam die Gefühlswelt von Maud beschrieben. Wie sie sich fühlt, wenn sie merkt, dass sie wieder etwas durcheinander gebracht hat, aber nicht weiß, was es ist oder wie sie es richtig machen kann. Wie beschämend. Und beängstigend. Und trotz dieser zunehmenden Vergesslichkeit macht sie sich enorme Sorgen um ihre Freundin Elizabeth. Man leidet wirklich mit ihr mit, da ihr anscheinend niemand so richtig glauben will.
Im Verlauf des Buches sieht man auch die Progredienz von Mauds Erkrankung. Sind es zu Beginn noch Kleinigkeiten, die vergessen oder verwechselt werden, nimmt dies doch immer weiter zu. Bis sie schließlich nicht mehr alleine leben kann, da sie z.B. den Herd anlässt oder auch aggressiv wird, weil plötzlich fremde Menschen in ihr Haus eingedrungen sind. Sowohl Mauds eigene Hilflosigkeit in diesen Situationen wie auch die ihrer überforderten Tochter werden sehr eindringlich beschrieben.
Dann gibt es aber noch quasi eine zweite Geschichte. Immer wieder wird in Mauds Kindheit zurückgeblendet. Und auch hier gelingt es der Autorin sehr gut, das Leben in der Nachkriegszeit einzufangen. Seien es die zugeteilten Essensrationen und Essensmarken, oder das Leben in einer zum Teil zerbombten Stadt. In dieser Situation verschwindet nun Mauds Schwester spurlos. Verdächtig ist zunächst Sukeys Ehemann Frank, der in Schwarzmarktgeschäfte verwickelt ist. Mauds Suche nach Sukey ähnelt einem Krimi, und man fiebert tatsächlich einer Auflösung entgegen.
Alles in allem ist der Roman wirklich äußerst vielschichtig. Die Demenz wird treffend beschrieben, ohne belehrend oder bemitleidend zu sein. Und dennoch ist eine sehr spannende Geschichte entstanden. Man kann eigentlich kaum glauben, dass die Autorin das Buch mit gerade mal 28 Jahren geschrieben hat. Ein witziger Einfall ist ein Klebezettel im Buch, ähnlich der, die Maud benutzt, mit der Aufschrift „Elizabeth wird vermisst” zusammen mit einer Internet-Adresse zum Teilen der eigenen unvergesslichen Momente (www.elizabeth-wird-vermisst.de).