Als die junge Mattie die Hasenfalle in der Nähe ihres Hauses ausleeren möchte, entdeckt sie durch puren Zufall einen ausgeweideten Fuchs im Schnee. Eigentlich nichts Besonderes, da sie mit ihrem Mann William in einer verlassenen Hütte mitten in der Wildnis auf einem Berg lebt. Doch irgendwas mit diesem Fuchs erscheint ihr seltsam.
Sie geht zurück zu William und erzählt ihm davon. Leider ist er daran eher weniger interessiert, sondern sieht nur die Trödelei von Mattie, für die sie bestraft werden muss. Als das geschehen ist und sich sein Blick wieder geklärt hat, geht er tatsächlich zusammen mit Mattie zu dem Kadaver, den auch er seltsam findet. Für den nächsten Tag plant er eine Suche nach dem Bären, der ein so seltsames Verhalten an den Tag legt und seine Beute einfach zurücklässt.
Am nächsten Tag gehen die beiden in Richtung der Höhlen, die oben auf dem Berg sind. Dort entdecken Hattie und William etwas sehr seltsames, denn der scheinbare Bär ist anscheinend ein Trophäenjäger, der die Leichenteile seiner Beute sammelt und nach Sorten sortiert. Während Mattie völlig verschreckt ist, plant William schon seinen Kreuzzug gegen die Bestie, die sich auf „seinem“ Berg versteckt.
Auf dem Rückweg zu ihrer Hütte treffen die beiden zufällig den jungen Kryptid-Forscher Griffith, der auch auf der Suche nach dem Ungeheuer ist. Obwohl Mattie den jungen Mann gar nicht beachtet und nur mit William redet, hat Griffith das Gefühl sie von irgendwoher zu kennen. Doch wie kann das sein? Sie lebt nun schon seit über zwölf Jahren mit William zusammen in dieser Hütte und kann sich an ein Leben davor gar nicht mehr erinnern.
Leider sieht William in dem Kontakt zu dem Mann einen Eingriff in seine Privatsphäre und da er Griffith dafür nicht bestrafen kann, muss erneut Mattie seinen Zorn ertragen. Diesmal ist er aber so schlimm, dass er sie fast umbringt und im Schnee zurücklässt. Mit Mühe und Not schafft sie es zurück zur Hütte, doch William lässt sie nicht herein, da er ihr eine Lektion erteilen möchte. Und dann ist da plötzlich das Monster, welches neue Opfer für seine Höhle benötigt…
Mit „Der Knochenwald“ veröffentlicht der Penhaligon Verlag nun einen weiteren Roman von Christina Henry. Dieser ist im Jahre 2021 unter dem Titel „Near the Bone“ bei Berkley erschienen und erweitert nun den Kosmos der Geschichten von Christina Henry, die zuerst mit düsteren Adaptionen von Märchen- und Fantasygeschichten begonnen hat. Mit „Der Geisterbaum“ gab es dann ihre erste eigene Geschichte, welcher nun „Der Knochenwald“ folgt.
In diesem Band zeigt Christina Henry erneut, wie vielschichtig sie ist, wobei der Grundtenor der Handlung wieder ein ähnlicher ist. Eine Protagonistin, die durch einen äußeren Einfluss ein Handicap hat, wird von einem (in dieser Geschichte sogar zwei) Monster gejagt, kann sich ihren Problemen aber stellen und das Monster besiegen. So war es bei ihren „Alice im Wunderland“ und „Rotkäppchen“ Adaptionen, bei ihrer Fortführung der „Sleepy Hollow“ Legende, und auch bei „Der Geisterbaum“. Dennoch ist jeder Band durch die Erzählung und das Setting etwas Eigenes.
Bei „Der Knochenwald“ steigen wir Leser direkt in die Handlung im tiefsten Winter auf einem Berg ein. Was ein idyllisches Stück Natur sein könnte, entwickelt sich nach und nach zur Hölle auf Erden. Die Protagonistin Mattie wird von ihrem religiös-fanatischen Mann William für jeden kleinen Fehltritt bestraft und wird von ihm in ihrem Haus gefangen gehalten. Erst so nach und nach lüftet Christina Henry den Vorhang, warum dies so ist und auch warum eine junge Frau wie eine Hinterwäldlerin in einer einsamen Hütte auf einem Berg lebt.
Während des Lesens ist der Faktor der Angst und des Schreckens die vorherrschende Kraft. Dabei handelt es sich aber nicht nur um die Angst vor dem Monster, welches sich auf dem Berg versteckt hält, sondern auch vor dem eigenen Ehemann, dem man es nie wirklich recht machen kann und der bei dem kleinsten Fehler des Verhaltens aus der Haut fährt und seine Ehefrau fast totprügelt.
Auch wenn es sich hierbei um eine Geschichte handelt, die mit Elementen der Mystik angereichert wurde, ist dieser normale Schrecken viel realer und viel brutaler als das Monster, welches eine Spur aus Leichen hinter sich lässt. Dieses Monster kann man besiegen und es ist externer Schrecken, doch was macht man, wenn man seit der Kindheit klein gehalten wird, das Monster zu Hause wohnt und man nichts Anderes kennt und diese Art von Leben für normal hält?
Dieses Monster im eigenen Haus fand ich viel schlimmer und ich habe immer mit der Protagonistin mitgelitten, die sich durch Kraftlosigkeit und Hunger auch nie wirklich zur Wehr setzen konnte. Erst als ihr Peiniger einen dummen Fehler gemacht hat und der Bogen dadurch überspannt wurde, begannen die Erinnerungen in Mattie an ein anderes Leben zu kommen, die in ihr den Kampfeswillen geweckt haben.
„Der Knochenwald“ ist kein Buch für schwache Nerven. Die beiden Monster sind schon recht brutal und eines davon auch recht real und diese Brutalität der beiden völlig Gegensätzlichen Schrecken wird auch sehr deutlich beschrieben. Da sich die Autorin ihre Protagonistin als Ich-Erzählerin ausgesucht hat, kommt es in ihren Gedankengängen oft zu Wiederholungen, was manchmal zu einigen Längen im Lesefluss sorgt. Dennoch kann man das Buch nicht aus der Hand legen und man muss wissen, ob die Geschichte für die Beteiligten ein Happy End haben wird.
Meine Meinung: 9 von 10 Punkten