Es war einmal ein Land, in dem die Menschen sich von den Wunschgeistern wünschen konnten, was sie wollten. Die Wunschgeister erfüllten diese Wünsche auch immer, doch leider war die Erfüllung des Wunsches immer Interpretationssache gewesen. Da den Menschen zu viele schreckliche Dinge passiert sind, nahmen sie den Kampf gegen die Wunschgeister auf, die sie dann mit Hilfe der beiden zu Fleisch gewordenen Göttern Mondfrau und Sonnenkrieger in ein Schattenreich verbannen.
So steht die Geschichte der Wunschgeister geschrieben, die vor Jahren ihr Unwesen in der Welt trieben. Daher sind Wünsche im Königreich Sommerlund bis zum heutigen Tage verboten. Das weiß auch Marlina, genannt Lina, die jüngste Tochter des Königs von Sommerlund, die sich im Moment aber nichts sehnlicher wünscht als an einem anderen Ort zu sein. Im Moment posiert sie für ein Gemälde, welches genutzt werden soll um heiratsfähige Prinzen für sie zu begeistern. Doch Lina ist davon alles andere als begeistert, denn das ganze Unterfangen fühlt sich für sie einfach nur falsch an.
Zurück im Sommerpalast wird ihr dann verkündet, dass sie schon an Prinz Ullrych von Tinriall versprochen wurde, der passend zur Sommerfeier nach Sommerlund kommt um die Verlobung zu feiern. Lina kann es einfach nicht glauben und hat das Gefühl, dass ihr Vater sie abschieben möchte. Leider ist dieses kein neues Gefühl, denn dieses belastet sie schon seit dem Tod ihrer Mutter, an dem ihr Vater Lina die Schuld gibt. So kommt diese Zweckheirat ihrem Vater scheinbar genau richtig.
Doch Linas Herz gehört schon einem anderen. Klaas, der Sohn des Wildhüters ist nach langen Jahren wieder zurück an den Sommerpalast gekommen und hat Linas Herz im Sturm erobert. Doch leider ist er kein Adeliger, so dass diese Liebe von vornherein zum scheitern verurteilt ist. Dann erinnert sich Lina aber an eine alte Sage aus einem Märchenbuch, in der ein Mädchen einem Brunnenwunschgeist etwas Gold und Blut geopfert hat um einen Wunsch erfüllt zu bekommen.
Aus einem Ausflug mit Klaas aus ihrer Kindheit erinnert sie sich auch noch an einen alten Brunnen, der tief im Wald hinter einer Brombeerhecke versteckt liegt. Kann es sein, dass es sich dabei um einen Wunschbrunnen handelt? In der Nacht schleicht sich Lina aus dem Palast, entwendet eine scheinbar unnütze Goldkugel in der Schmiede und macht sich auf den Weg zum Brunnen.
Dort angekommen, wirft sie zuerst die Goldkugel und dann ein paar Tropfen ihres Blutes in den Brunnen und wünscht sich, dass sie Prinz Ullrych nicht heiraten muss. Ein folgenschwerer Fehler, denn durch ihren Wunsch bricht die Hölle auf Erden aus. Schon am nächsten Tag beginnt es. Prinz Ulrrych erscheint zwar wie gewünscht nicht, doch nun erfüllt sich auch jeder Wunsch wortwörtlich. Plötzlich tauchen auch noch seltsame weiße Blutegel-Raupen auf, die sich relativ schnell verpuppen und zu giftigen Monstern werden. Hat dies eventuell mit Linas Wunsch zu tun und was muss sie tun, um diesen wieder rückgängig zu machen?
Mit „Brunnengeister“ veröffentlicht der Piper Verlag nun die zweite große Märchenadaption von Christian Handel. Dieser ist vor allem durch seine dunklen Fantasy-Geschichten bekannt, hat aber mit „Schattengold“ eine unfassbar düstere Version des Märchenklassikers „Rumpelstilzchen“ geschaffen. Nun setzt er genau dort an und präsentiert mit „Brunnengeister“ seine verdrehte Idee der Geschichte des Froschkönigs – und „verdreht“ meine ich hier im guten Sinne.
Christian Handel hat sich hier einen anderen Ansatz des Märchens überlegt. Er hat die Geschichte der Gebrüder Grimm in verschiedenen Variationen gelesen und hat dabei den Spruch „In der alten Zeit, wo das Wünschen noch geholfen hat…“ entdeckt und diesen als Aufhänger für seine Geschichte gewählt. Herausgekommen ist ein düsteres Fantasy Märchen, welches all die klassischen Elemente der Märchen Vereint, aber auch gleichzeitig einen neuen Schrecken erschaffen hat.
Wie wäre es in einer Welt zu leben, in der man sich nicht sicher sein kann, ob ein nur einfach daher gesagter Wunsch nicht das Ende der Welt herbeiführen könnte. Wie oft passiert es einem selbst, dass man unbedacht ausspricht, dass man sich etwas wünsche? Ziemlich oft, ich habe mich dabei nach der Lektüre dieses Buchs einmal beobachtet. Und während es in unserer Realität harmlos ist und nichts passiert, ist es in Sommerlund eines der schlimmsten Vergehen.
Persönlich hat mir „Brunnengeister“ sehr gut gefallen. Die Mischung zwischen Fantasy und Horror war genau passend und Christian Handel konnte mich ab der ersten Seite schon mit seiner Geschichte fangen. Durch viele kleine Andeutungen (z.B. Linas Angst vor dem Keller, oder auch ihre verzwickten Beziehungen zu ihren Schwestern) ist es dem Autor gelungen die Spannung ober zu halten, so dass man eigentlich immer wissen wollte, was es damit auf sich hat.
Für mich ist dies der zweite Roman des Autors und nachdem ich bei „Schattengold“ eher ein wenig hin- und hergerissen war, ist „Brunnengeister“ nun eine durchaus gelungene Märchenadaption. Sie enthält noch genug von der „eigentlichen“ Fassung, bietet aber dennoch ausreichend Abweichungen, so dass man die Geschichte auch aus einer anderen Perspektive sieht. Für Fans dieses Genres eine deutliche Empfehlung.
Meine Meinung: 10 von 10 Punkten