Mit der Band Astillane aus Münster konnte ich kürzlich ein Interview machen. Wir haben über die Musik, den Texten, Corona und einigen anderen Themen gesprochen. Alles in allem ging es natürlich über das aktuelle Release in Form der Dreaming EP (Review hier). Trotz relativ weniger Fragen meinerseits ist es dank der längeren Antworten aber dennoch umfangreich – im positiven Sinne – geworden. Viel Spaß beim Lesen.
Ihr selbst, als Astillane, existiert seit 2018. Was könnt ihr unseren Lesern denn über euren vorherigen musikalischen Werdegang erzählen. Wer spielt bei euch in der Band und welches Instrument bedient die jeweilige Person?
Hannes: Also Tilo (Vocals) war bereits bei Arterial und His Statue Falls, Andi (Gitarre) hat früher bei First Blossom in Spring gespielt. Als die sich aufgelöst haben, habe ich über deren Facebook Profil gesehen, dass ein Gitarrist für ein neues Projekt gesucht wird. Direkt beim ersten Treffen haben Tilo, Andi und ich uns super verstanden und wir waren richtig hyped zusammen Mucke zu machen. Allerdings hat sich an Bass und Drums immer viel getan, wir hatten also über lange Zeit kein festes Lineup, mit dem man hätte auftreten können. Das wurde dann durch Luki (Bass) und Malte (Drums) vervollständigt, die tatsächlich erst seit 2018 dabei sind. Dann ging
auf einmal alles ganz schnell und wir hatten eine fertige EP im Kasten und auch gut Shows anstehen. Lange Zeit hat es echt nicht danach ausgesehen, aber umso glücklicher sind wir, dass sich das Schicksal so zu unseren Gunsten gefügt hat.
Wie würdet ihr eure EP Dreaming jemanden beschreiben, der mit dem Genre nicht vertraut ist?
Malte: Haha, also jemandem der mit dem Genre null vertraut ist unsere Musik zu beschreiben, stellt sich oftmals als kompliziertes Unterfangen heraus. Auch wenn man da versucht mit “den alten Linkin Park Sachen” irgendwie eine bekannte Parallele herzustellen,
sind die meisten doch ziemlich geschockt, wenn sie die ersten Shouts hören.
Hannes: Ja, außerdem denken die meisten direkt an Techno wenn ich sage, dass wir Melodic Hardcore machen.
Andreas: Am besten vorher einfach gar nichts sagen, dann ist der
Überraschungsmoment größer. Das kann manchmal schon sehr amüsant sein.
Bitte beschreibt einmal alle sechs Songs auf dem Release und welche Bedeutung der jeweilige Text hat.
Tilo: Das ist natürlich eine Frage, über die ich alleine schon stundenlang Reden könnte. Deswegen versuche ich mal die Lyrics so kompakt wie möglich auf den Punkt zu bringen, von dem musikalischen Aspekt überzeugt ihr euch am besten selbst 😉
Die EP thematisiert verschiedene Facetten der Selbstfindung und -akzeptanz. Im Titelsong Dreaming findet sich der Protagonist auf offener See, wo er zu ertrinken droht. Da er die Situation nicht wahrhaben will, schließt er seine Augen, was in der Geschichte
einem Resignieren gleich kommt. Er konzentriert sich in diesem Zustand völlig auf sich und merkt erst zur Mitte des Songs, dass die Akzeptanz seiner Situation keine Lösung ist. Als er seine Augen schließlich öffnet, erwacht er zu dem Spiel von Licht unter Wasser und findet im letzten Moment die Kraft wieder aufzutauchen und weiterzukämpfen. Häufig ist es im Leben nötig, unangenehme Entscheidungen zu treffen. Diese ein Leben lang zu ignorieren mag zwar auf den ersten Blick das einfachste sein, ist aber nie eine
langfristige Lösung.
Boston spiegelt eine ähnliche Art der Ignoranz wieder. An Stelle der äußeren Einflüsse tritt in diesem Song jedoch der Charakter des Protagonisten selbst. Der Song beginnt mit einem Satz, den der Protagonist nicht auszusprechen vermag, weil ihm seine Zunge scheinbar nicht gehorcht. Der Charakter des Protagonisten ist während des gesamten Songs zwiegespalten und er wünscht sich eine Zeit zurück, in der er sich selbst erkennt, wenn er in den Spiegel schaut. Schritt für Schritt reflektiert sich der Protagonist selbst und findet schließlich die Kraft den Satz auszusprechen, sich damit seine Fehler einzugestehen und damit aus ihnen zu lernen.
Bei Broken and Mended habe ich die Sprache in dem Song im vergleich zum Rest der Platte sehr direkt und nackt gewählt, sodass der Song sehr intim wirkt. Ich glaube, dass nicht nur die positiven Dinge im Leben uns als Menschen prägen, sondern vor allem negative Erfahrungen und Schmerz und wie wir damit umgehen. Daher beschreibt die Line “They say no matter how tight the stitches, scars will remain, but I will wear them proudly, because they are part of what I am.” die Essenz des Songs am besten. Die erste Hälfte der Zeile ist von La Dispute inspiriert, einer Band die mich musikalisch, aber besonders auch lyrisch extrem fasziniert. Mit der zweiten Hälfte der Zeile wollte ich meine Ansicht auf La Disputes Message reflektieren.
Breathing Under Water ist ein Song in dem das Gefühl behandelt wird, in der Welt verloren oder abgehängt zu sein – einfach nicht in die Welt hineinzupassen. Ich möchte jedem Menschen, der sich so fühlt und das Gefühl hat, dass es nur einen, finalen Ausweg aus
dieser Situation gibt sagen, dass es Menschen gibt denen ihr wichtig seid. Menschen, die an euch denken und teilweise sind das Menschen, die bis jetzt noch nicht mal die Chance hatten euch kennenzulernen. Wenn ihr das Gefühl habt an einem dunklen Ort zu sein, glaubt bitte nicht, dass ihr da alleine wieder raus müsst. Redet darüber! “We write our tragedies in the blood that we don’t shed.”
In Ghosts findet der Protagonist sich in einer gefrorenen Welt wieder und ist wie besessen davon, jeden einzelnen Fußabdruck den er hinterlassen hat zurückzuverfolgen. Das steht metaphorisch für das Leben in der Vergangenheit und die Angst vor einer ungewissen
Zukunft. Dinge die wir seit Ewigkeiten kennen, geben uns Sicherheit, selbst wenn sie uns in Wirklichkeit eher behindern. Der Protagonist hat Angst vor dem Frühling, der ein Ende für den Schnee und damit die Möglichkeit den gegangen Weg nachzuvollziehen bedeutet. Diese Angst wird dem Protagonisten erst genommen, als er am Ende des Songs in die ersten Strahlen der Frühlingssonne tritt und realisiert, dass der Weg voraus nicht negativ
sein muss, sondern unendliche Möglichkeiten liefert.
In Two Worlds Collide prallen, wie der Titel ja bereits ankündigt, Welten aufeinander und ich möchte damit zum Ausdruck bringen, wie wichtig ich es finde, dass man die Möglichkeit und die Kraft hat zu sich selbst zu stehen. Der Protagonist reflektiert zunächst seine Situation und gesteht sich ein, dass sein Leben alles andere als perfekt läuft. Im Laufe des Songs realisiert er aber, dass es dafür ein selbstbestimmtes Leben ist und das ist wichtiger, als ein reibungsloses Leben, das man nicht selbst führt. Der Song endet mit einer klaren Message an jeden, der versucht Menschen einzureden, dass sie schlechter oder falsch sind nur weil sie nicht dem Weltbild der Person entsprechen: “So the next time you want to tell me, what
you think should be on my mind, you might as well keep your mouth shut, because it’s not yours to decide. Fuck your blessing!”
Also ich hoffe das hat den Rahmen nicht allzu sehr gesprengt aber Songs transportieren natürlich immer eine Menge Emotionen und es war schon echt schwer das so kurz runterzubrechen. (Anmerkung der Redaktion: Nein, ich mag solche Ausführungen gerne und finde die Bedeutung der Texte einen wichtigen Aspekt. Räume daher gerne viel Raum ein. Danke dafür.)
Corona bietet sich da ja – leider – an, um an neuen Songs zu arbeiten. Wie sieht das bei euch aus und wie sehr macht euch die Krise gerade einen Strich durch die Rechnung?
Malte: Corona hat uns auf jeden Fall einen fetten Strich durch die Rechnung gemacht, indem dadurch unsere Releaseshow ins Wasser gefallen ist. Wir hatten schon viel geplant und auf die Beine gestellt und dann mussten wir leider alles umschmeißen und die EP ausschließlich online rausbringen und vermarkten. Auch wenn das natürlich sehr schade war, haben wir das beste draus gemacht und wie die Blöden an unserem neuen Album geschrieben. Für die vergleichsweise kurze Zeit ist auch schon fast ein ganzes Album an Demomaterial zustande gekommen. In den kommenden Wochen finalisieren wir die Demos, indem wir die Vocals aufnehmen und den Songs den letzten Schliff verpassen. Und dann geht es auch schon wieder auf Studiosuche, sodass wir hoffentlich schon bald den Nachfolger zu Dreaming raushauen können.
Welche Bedeutung hat euer Bandname eigentlich und wie wird dieser ausgesprochen? Man könnte es Spanisch versuchen, auf Deutsch oder aber – meine persönliche Lieblingsvariante – A Still Lane. Nur mit einem L weniger. Wie habt ihr nach einem Namen für euch gesucht?
Andreas: Ausgesprochen wird es auf jeden Fall wie in deiner Lieblingsvariante, auch wenn diese Bedeutungsebene weder von uns beabsichtigt noch bemerkt wurde als wir uns auf den Namen geeignet haben. Wir wollten einfach was machen, das nicht so bedeutungsschwanger oder ausgelutscht ist, sondern einen Namen den wir durch unseren künstlerischen Output mit Bedeutung aufladen. Ich denke wir werden nie in die Situation geraten, dass uns der Name irgendwann nicht mehr gefällt, weil er eben für sich keine Bedeutung enthält, sondern nur für das steht, was wir daraus machen.
Gibt es musikalische Vorbilder, deren Sound bei Astillane einfließt und wenn, wer sind die Künstler und wieso? Gibt es spezielle Songs, wo die Einflüsse – aus eurer Sicht – deutlich zu hören sind?
Hannes: Ich denke, dass man den Einfluss unserer wahren musikalischen Vorbilder eher weniger raushört. Für mich sind das Leute wie die von Gogo Penguin oder Kendrick Lamar, die mich eher durch ihre bedingungslose Liebe und Passion zur Musik beeinflusst haben. Das schlägt sich dann eher darin nieder, dass Andi und ich regelmäßig die ganze Nacht durchschreiben und uns über die winzigsten Details in die Haare kriegen, einfach weil wir beide beim Songs schreiben richtig aufgehen und niemals weniger als 120% geben, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Ich
glaube wie bei den meisten Debüts von kleineren Bands haben den hörbarsten Einfluss auf Dreaming die jeweiligen Szenegrößen hinterlassen, wie in unserem Fall Architects oder The Amity Affliction, sei es bewusst oder unbewusst.
Wie sehen eure Pläne aktuell aus? Und was möchtet ihr noch unseren Lesern mitteilen? Danke fürs Interview.
Lukas: Wie gesagt, arbeiten wir gerade wie verrückt an unserem ersten Album. Wir sind sehr glücklich damit wie schnell es voran geht, so viel kreativen Output hatten wir auf jeden Fall noch nie in der Band. Wenn die Demos fertig sind, werden wir uns sowohl auf
Studio- als auch Labelsuche begeben, weil wir immer nach Wegen suchen, die Band auf ein neues Level zu heben. Nachdem wir bislang alles selbst gemacht haben, würden wir uns sehr freuen professionelle Unterstützung zu bekommen, zumal so ein Album mit allem drum und dran in der Regel sehr schwer von unserem Studentengehalt zu zahlen ist. So oder so darf man auf jeden Fall gespannt bleiben, weil wir es gar nicht erwarten können neue Musik rauszubringen und hoffentlich dann bald auch wieder Shows spielen zu können. Großen Dank an alle, die uns schon ausgecheckt haben und natürlich an euch für das nette Interview!
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