Arrested Denial aus Hamburg spielen Punkrock, ihr aktuelles Album nennt sich Frei.Tal und in dem Frei.Tal Track By Track Special erklärt die Band, die Entstehung der einzelnen Stücke, die Hintergründe und einiges mehr.
Die Band nimmt folgendes vorweg: “Bei dieser Track By Track Anfrage habe ich durchaus etwas mit mir gehadert, da ich eigentlich auch bei Live-Konzerten so gut wie nie groß etwas zu Inhalten sage. Wenn ein Text am Ende so ausgefallen ist, dass man ihn erklären muss, dann hat man doch irgendwie etwas falsch gemacht… Aber wir versuchen es mal, ohne gleich jedes Stück bis ins letzte Detail zu sezieren.” Das nur einmal als Erklärung dazu. (Anmerkung der Redaktion: Danke daher um so mehr für diese Einblicke!)
Ich hab‘ beschlossen euch zu hassen
Ich wollte schon recht lange einen Song zum Thema Homophobie schreiben, habe es dann aber doch immer wieder verworfen. Schlichtweg weil ich nicht wusste, was man zu so einem Schwachsinn eigentlich noch groß sagen soll. Diesen Leuten 3 Minuten lang nur wüste Beleidigungen gegen den Kopf zu schmeißen wäre zwar recht einfach und befreiend, aber in der Regel fühlen sich die Adressaten dadurch ja eh nur bestätigt. Ein Songtext funktioniert einfach anders als eine direkte Konfrontation. Die kann auch gerne mal platt sein, wenn sonst nichts mehr hilft. Ich denke aber, die Zeile „Du möchtest schreien bei all der Dummheit“ fasst den Song ganz gut zusammen.
Heimathafen
Das ist wohl kein sonderlich vertrackter Text, bei dem man zwischen den Zeilen suchen müsste. Es gibt Menschen, die sind mit dem was sie haben zufrieden, und haben zum Beispiel kein großes Bedürfnis, mal rauszukommen und ein bisschen was von der Welt zu sehen. Dabei geht es aber überhaupt nicht darum, das irgendwie schlecht zu reden. Der Text hat seinen Ursprung auch bei 1-2 Freunden von mir, die ich sehr schätze. Ich frage mich dann eben nur manchmal selber – als jemand, für den so ein Lebensansatz nur sehr schwer denkbar wäre – ob es denen mit ihrer dezenten Apathie und Genügsamkeit eigentlich nicht ziemlich gut geht.
Zeit zu gehen
Das ist der einzige Text auf dem Album, der nicht von mir ist. Timo hat den geschrieben, ich habe ihn dann lediglich noch etwas in unsere Form gebügelt. Es geht darum, aus seinem ewiggleichen Alltagstrott auszubrechen, wenn einem mal wieder die Decke auf den Kopf fällt und man merkt, dass man eigentlich seit Jahren das Gleiche macht, ohne dabei auch nur einen Schritt weiter zu kommen. Eine recht pessimistische Momentaufnahme. Hoffe ich.
Nationalisten aller Länder
Bei diesem Song ist Ulf von Rantanplan und Goodbye Jersey an der Trompete zu hören, um das mal vorweg zu nehmen. Ulf hilft uns immer mal wieder aus, wenn wir in Ska-Gefilde abdriften.
Das Lied greift die gesellschaftliche Entwicklung zu der Zeit auf, in der die Platte entstanden ist. Also den anhaltenden Rechtsruck zwischen Pegida, AfD und der neuen Rechten. Diese Abdriften nach Rechts fußt ja bei genauerem Hinsehen auf ziemlich haltlosen Befürchtungen, Existenzängsten und gezielter Fehlinformation auf der einen, und der dankbaren Aufnahme selbiger auf der anderen Seite.
Natürlich bezieht sich unser Text in erster Linie auf Deutschland, da wir nunmal von hier sind. Allerdings ist es mir auch herzlich egal, woher ein Nationalist nun kommt und in welcher Sprache er seinen Schwachsinn in die Welt trägt. Nationalismus ist etwas unglaublich Erbärmliches und steht in völligem Gegensatz zu einer sozialen und humanistischen Weltgemeinschaft. Immer.
Bis hier, bis heute
Dieser Song ist an jemanden adressiert, der mir viel bedeutet hat und leider viel zu früh verstorben ist. Ich habe mich gefragt, was ich ihm wohl über mein bisheriges Leben erzählen und was für eine Zwischenbilanz ich heute ziehen würde, wenn wir jetzt nach vielen Jahren noch einmal die Möglichkeit hätten, uns für 1-2 Stunden zu unterhalten.
Zurück auf Start
Inhaltlich ist das einer meiner Lieblingstexte auf dem Album. Es geht darum, dass man auch als Mensch mit einem gewissen ethischen Anspruch an sich selbst und sein Umfeld oftmals noch meilenweit von dem entfernt ist, was andere Menschen auf diese Planeten täglich unter erheblichen Entbehrungen und aus den unterschiedlichsten Gründen leisten, um ein kleines Stückchen Welt ein bisschen besser zu machen. Man sollte sich das von Zeit zu Zeit vor Augen führen, und die eigenen Probleme und die eigene Lebensweise in Relationen dazu setzen.
Stillstand
Das war der erste Song, den ich für das Album geschrieben habe. Der ist etwas fixer, vermutlich wollte ich das einfach hinter mich bringen, da ich eigentlich nicht so der Freund von Uptempo-Songs bin. Aber einen Funken Punkrock-Credibility müssen wir uns ja schließlich erhalten…
Den Gastgesang hat hier Hajo von den Oi-melz beigesteuert, was mich ziemlich gefreut hat. Eine der besten Bands, die es hierzulande jemals gegeben hat.
Inhaltlich geht es darum, dass wir dazu neigen, uns an Dinge zu klammern und vor Veränderungen zurück zu schrecken, aus reiner Angst wir könnten dabei irgendwas verlieren. Das tun wir selbst dann, wenn wir eigentlich gar nichts zu verlieren haben. Das scheint ein nicht unerheblicher Pfeiler unserer Gesellschaft zu sein, was auf Dauer irgendwie nicht so wirklich gut sein kann.
Frei.Tal
Ein ähnlicher Themenbereich wie der bereits erwähnte Song „Nationalisten aller Länder“. Es geht um rechtes Gedankengut und ein damit einhergehendes völlig egozentrisches Weltbild. Es geht aber auch darum, wie es sein kann, dass heute plötzlich wieder Dinge gesagt werden können und Meinungen salonfähig sind, die man eigentlich gehofft hat, in diesem Land und in diesen Ausmaßen nie wieder hören zu müssen.
Es geht also nicht konkret um den Ort Freital, dieser steht aber mittlerweile durchaus ein Stück weit als Synonym dafür, wie tief Menschen sinken können. Und genauso steht die abgewandelte Schreibweise mit dem Punkt exemplarisch dafür, was und wer mitunter zu einem nicht zu unterschätzenden Teil den Nährboden für solches Gedankengut bildet. Menschen, die Nationalismus, „unverkrampften Patriotismus“ und alles was letzten Endes damit einhergeht – in welcher Form auch immer – propagieren, tragen Mitschuld an Brandanschlägen, Übergriffen und Gewalt. Auch wenn sie es dann natürlich plötzlich nicht so gemeint haben wollen.
Um nichts in der Welt
Hier geht es darum, mit Menschen zu tun zu haben, deren Zielsetzungen und Lebenswelten sich so stark von den eigenen unterscheiden, dass man sich einfach nichts zu sagen hat. Ich lebe jetzt zwar auch nicht als Eremit auf irgendeinem Hügel und habe mich von allem losgesagt, bin aber nunmal in meiner Denke eher subkulturell durch Hardcore und Punk geprägt. Das muss ich im Alltag niemandem unter die Nase reiben und ich halte meistens auch einfach die Klappe. Aber es erstaunt mich doch immer wieder, was für ein – aus meiner Sicht – absolut banaler Blödsinn im Leben vieler Leute eine ziemlich wichtige Rolle spielt. Umgekehrt denken die das natürlich auch von mir, von daher kann man natürlich nicht mit Gewissheit sagen, wer nun letztlich die Weisheit mit Löffeln gefressen hat.
Alles bleibt gleich
Auch hier geht es wieder um das prägende Thema des Albums. Sprich geistig sehr arme Menschen und haltlose Behauptungen, aus denen sie ihr Weltbild nach Belieben zusammenbasteln. Der Text ist bewusst etwas wirr gehalten und vermischt verschiedene Statements. Aber die werten Damen und Herren von der Volksfront widersprechen sich ja nunmal auch den ganzen Tag lang.
Der Song selbst ist musikalisch eher etwas untypisch für uns. Ich denke aber man erkennt trotzdem noch, dass wir das sind.
Solidarität
Und auch hier haben wir uns Ulf von Rantanplan und Goodbye Jersey für die Trompetenparts ausgeliehen.
Zum „warum“: Im Rahmen der Flüchtlingsdebatten in den letzten Jahren und einer breiten, richtigen und wichtigen Positionierung gegen Rechts, hatte und habe ich zuweilen das Gefühl, dass es Einzelpersonen oder auch Bands dabei manchmal nicht mehr wirklich um die Sache an sich geht. So gab es eben Fälle, in denen öffentliche Statements, Aufrufe und sonstige Postings mehr wie eine image-fördernde Eigenwerbung und Selbstbeweihräucherung gewirkt haben. Das ist ein schwieriges Thema, bei dem ich auch kein rigoroses Urteil über irgendwen fällen möchte, aber es gibt einfach Nummern, bei denen ich denjenigen ihren ziemlich extrovertierten Social-Media-Antifaschismus nicht so ganz abnehme. Gerade wenn damit ohnehin nur die eigenen Leute erreicht werden, sollte man den Ball vielleicht hier und da etwas flacher halten.
Alles wird gut
Der Song ist Ende 2016 als letztes Stück der Platte entstanden. Es geht darum, Dinge, die einem wichtig sind, nicht zu verschieben, auch wenn sich das jetzt schon wieder etwas esoterisch und abgedroschen anhört. Das ist mir aber herzlich egal. Es gab einen sehr konkreten Anlass für den Text, was mir hier aber zu weit führen würde. In groben Zügen lässt der sich herauslesen.
Album-Stream “Frei.Tal”:
Tourdaten:
29.09.2018 – Rotunde – Bochum
06.10.2018 – Stäbruch Festival – Untererthal
13.10.2018 – Vetternwirtschaft – Rosenheim
25.12.2018 – AJZ Talschock – Chemnitz
20.04.2019 – St. Pauli Fanräume – Hamburg
(**)