Im Rahmen des Comic Salons in Erlangen haben Benjamin von Eckartsberg und Thomas von Kummant am Stand des Cross Cult Verlages einige Signierstunden zu ihrem aktuellen Epos “Gung Ho” gehalten. Leider habe ich die beiden zu meinem großen Bedauern dort verpasst. Zum Glück haben sich der Autor und der Zeichner aber bereit erklärt ein Interview per E-Mail zu führen.
Hallo Herr von Kummant,
danke, dass Sie sich zu einem Interview per E-Mail für „Monsters and Critics“ bereit erklärt haben. Ich bin ein großer Fan Ihrer Arbeiten und freue mich schon auf den Nachfolgeband von „Gung Ho“.
Thomas von Kummant:
Vielen Dank, das freut uns natürlich sehr!
„Gung Ho“ ist Ihre erste Arbeit, die nicht auf einer Vorlage basiert. Was war der Ideengeber für Ihre Serie „Gung Ho“?
Benjamin von Eckartsberg:
Mir strömen ständig Ideen oder fiktive Szenen durch den Kopf.
Die meisten vergesse ich wieder, manche schreibe ich auf und sie entwickeln sich weiter.
Gung Ho war eine von diesen Ideen und hat lange in meinem Hinterkopf vor sich hin geköchelt.
Im Sommer 2005 hatte ich eine Art Tagtraum. In einer von der Natur zurückeroberten Kulturlandschaft sitzen Jugendliche um eine alte, kaputte Ampel herum, flirten, trinken und rauchen – dürften dort aber gar nicht sein, weil sie aus ihrer befestigten Siedlung ausgebüxt sind. Die Teenager tragen Waffen und haben Wachen abgestellt, welche die Umgebung beobachten.
Denn sie befinden sich dort in der Gefahrenzone, in der jeder Zeit gefährliche Bestien auftauchen könnten.
Spannend an diesem Bild fand ich, dass die Teenager Verantwortung tragen müssen, die in unserer Gesellschaft den Erwachsenen und bestimmten Institutionen mit exekutiver Gewalt vorbehalten sind, gleichzeitig aber ihre Teenager-Bedürfnisse ausleben wollen.
Da ist reichlich Konfliktstoff vorhanden, zwischen den Menschen und den Bestien, zwischen den Jugendlichen untereinander und zwischen ihnen und den Erwachsenen.
Gibt es „lebendige“ Vorbilder für die Figuren in der Geschichte?
Benjamin von Eckartsberg:
Nicht direkt. Schreiben ist aber teilweise ein assoziativer Prozess, und da kommen Ideen sicherlich aus der Summe der Begegnungen und Erfahrungen an die Oberfläche, deren direkte Quelle einem nicht immer bewusst ist.
Gung Ho ist mehr eine Mischung aus meiner inneren Erlebniswelt als Teenager und als Erwachsener, weniger jedoch aus meinen tatsächlichen Erlebnissen gespeist.
Insofern steckt schon viel von mir selbst in dem Stoff, ohne das einer der Charaktere mir oder einem anderen lebendigen Vorbild direkt nachempfunden ist.
Thomas von Kummant:
Da Benjamin die Geschichte geschrieben und die Charaktere erfunden hat, steckt in keinem Charakter speziell viel von mir, ich finde aber in jedem Jugendlichen aus Gung Ho Eigenschaften die ich aus meiner Jugendzeit kenne – von mir selbst, oder von meinen Freunden.
Die ersten zwei Bände der Geschichte sind nun erschienen. Bisher hat es durchweg positive Rückmeldungen für diese Mischung aus Fantasy, Science-Fiction und Survival gegeben. Wie fühlt man sich als Künstler?
Benjamin von Eckartsberg:
Wir haben das Gefühl, dass wir etwas richtig gemacht haben und dass sich die Arbeit und das Herzblut lohnen. Was gibt es Schöneres?
Die ursprüngliche Idee war die Serie auf fünf Bände zu begrenzen. Bleibt es bei den fünf Bänden, oder muss die Handlung noch ausgeweitet werden?
Benjamin von Eckartsberg:
Ich habe die 5 Bände schon alle fertig geschrieben. Daher wird es auch bei dem Plan der 5 Bände bleiben. Insgesamt ist es eine durchgängige Geschichte, die nach 400 Seiten abgeschlossen ist.
Ich hätte zwar gerne einigen Aspekten der Handlung mehr Raum gegeben, aber bei der langen Produktionszeit schien es uns nicht sinnvoll, die Geschichte noch länger zu machen.
Theoretisch könnte man die Geschichte mit einem neuen Handlungsbogen auch fortsetzen, aber da machen wir uns jetzt noch keinen Kopf.
Haben Sie sich einen Zeitrahmen für das Gesamtwerk gesetzt?
Thomas von Kummant:
Ich brauche für einen Band etwa 16 Monate, also sollte der fünfte und letzte Band 2020 erscheinen. Ob es über einen Zeitraum von mehreren Jahren mal Verzögerungen aus beruflichen oder privaten Gründen gibt, ist leider unmöglich vorherzusagen.
Ohne zu viel über die Geschichte zu verraten, können Sie schon einen kleinen Ausblick auf den nächsten Band geben?
Benjamin von Eckartsberg:
Archer wird in Band 3 etwas tun, was für ihn sehr untypisch ist. Er engagiert sich. Was gravierende Konsequenzen für ihn und die ganze Siedlung hat. Manche davon sind kurz-, andere langfristig.
Zack wird durch die Ereignisse gezwungen sich zu entscheiden zwischen seiner Loyalität zu seinem Bruder Archer und seinem Wunsch, sich in die Gemeinschaft der Siedlung einzufügen. Das etablierte Gleichgewicht zwischen den Generationen in der Siedlung gerät aus dem Lot, besonders im vierten und fünften Band.
Eine Ihrer ersten Arbeiten zusammen war die Comicadaption für „Die Chronik der Unsterblichen“. Die ersten Bände haben damals für viel Wirbel in der Comicszene gesorgt. Warum haben Sie sich für einen anderen Zeichner entschieden?
Benjamin von Eckartsberg:
Thomy und ich wollten einen eigen Stoff entwickeln, nicht ständig nur die Welt eines anderen Autors adaptieren.
Thomas von Kummant:
Daher habe ich Die Chronik der Unsterblichen verlassen, um Gung Ho zu zeichnen.
Also haben wir einen Zeichner gesucht, der Die Chronik übernehmen kann und ihn mit Chaiko gefunden. Und der macht einen fantastischen Job, wie ich finde.
Ich habe den aktuellen Band gerade gelesen und war begeistert von der Art der Adaption. Wie sind sie auf die Idee für das Ende gekommen, welches ja von der eigentliche Geschichte ein wenig abweicht?
Benjamin von Eckartsberg:
Ich weiß nicht genau, auf welche Änderung Du Dich beziehst, daher kann ich hier nur allgemein antworten. Die Änderungen bei einer Adaption entstehen bei mir meist aus der Notwendigkeit, zu kürzen und zu verdichten und Motivationen der Charaktere stringent in gekürzter Form herauszuarbeiten. Dazu kommt dann assoziatives Kopfkino, sozusagen kontrolliertes Phantasieren.
Abschließend würde ich gerne noch ein paar allgemeine Fragen stellen.
Wer sind Ihre Vorbilder?
Benjamin von Eckartsberg:
Ich bin sicherlich von vielen Autoren und Künstlern beeinflusst, da ich viel lese, Filme und Serien schaue etc., aber ein direktes Vorbild, dem ich nacheifere, habe ich nicht.
Bei meiner Arbeit als Szenarist für Comics bin ich aber mehr vom Film beeinflusst als von Comics. Ich denke beim Schreiben nicht in Panels, sondern in filmischen Szenen, sozusagen Bewegtbild. Thomy löst das dann in Panels auf, wobei er auch sehr filmisch in Kamerafahrten denkt.
Thomas von Kummant:
Als ich mit Mitte Zwanzig angefangen habe, intensiver zu zeichnen, war ich sehr von Regis Loisel beeinflusst.
Mit der Zeit habe ich mich von seiner Formensprache gelöst und meinen eigenen Stil gefunden.
Jetzt gibt es viele Künstler, die bewundere, aber keiner davon ist ein Vorbild, dem ich nacheifere.
Das wäre mit Mitte Vierzig auch schlecht. Da sollte man schon seinen eigenen Weg gehen, denke ich.
Wie haben Sie den Weg in das Medium Comic gefunden?
Benjamin von Eckartsberg:
Bei mir war es eine Kindheitsliebe. Ich habe schon als Kind Comics gezeichnet, bin bei meinen diversen „Projekten“ aber nie über ein, zwei Seiten hinausgekommen. Ich denke, wenn man gerne zeichnet und Geschichten erzählen möchte, dann ist Comic eine sehr naheliegende Wahl.
Ich wollte immer schon einen Comic machen. Das ich jetzt als Szenarist und nicht als Zeichner in der Comicbranche vertreten bin, ist eigentlich Zufall. Ich habe mich schon immer fürs Schreiben interessiert und Thomy hatte ein Szenario gelesen, das ich für mich selbst geschrieben hatte und umsetzen wollte.
Als er die Anfrage für Die Chronik vom damaligen Ehapa-Verlag bekam und klar war, dass Wolfgang Hohlbein das Szenario nicht selbst schreiben würde, hat er mich gefragt. Also habe ich mich reingekniet und es hat mir großen Spaß gemacht, vor allem da Thomy etwas Wunderschönes daraus gemacht hat.
Thomas von Kummant:
Benjamin und ich kennen uns vom Münchner Comicfest. Er hatte das Plakat gezeichnet und ich habe Illustrationen für den Katalog gemacht. 1996 haben wir hier in Erlangen zusammen das Comicseminar bei Paul Derouet besucht. Benjamin war damals in einer Münchner Ateliergemeinschaft namens ›Die Artillerie‹, ein Zusammenschluss von Illustratoren, in dem z.B. auch Uli Oesterle vertreten ist. Da hat mich Benjamin auch hineingeholt.
Ich hatte damals in München bei einem Comicwettbewerb mitgemacht, bei dem der ›Ehapa‹-Verlag in der Jury saß, und die haben mir einen Sonderpreis fürs Artwork gegeben. Ziemlich schnell danach kam Michael Walz, der damalige Chefredakteur von ›Ehapa‹, auf mich zu und hat mich gefragt, ob ich den zweiten Teil der Goethe-Biographie zeichnen möchte. Ich hätte dafür allerdings in 4 Monaten 48 vollkolorierte Seiten zeichnen sollen, deswegen habe ich Benjamin gefragt, ob er für mich die Farben machen könnte. Das war unsere erste Zusammenarbeit.
Kurz darauf kam ›Ehapa‹ an die Rechte von einigen Buchtiteln, unter anderem auch ›Die Chronik der Unsterblichen‹ von Wolfgang Hohlbein. Ich habe Michael Walz vorgeschlagen, ob er nicht für so ein Projekt Autoren mit Zeichnern zusammenbringen möchten. So wurde ich gefragt, ob ich ›Die Chronik der Unsterblichen‹ umsetzen möchte. Und das Skript dazu hat Benjamin geschrieben. Dieser Comic hat wiederum in Frankreich sehr eingeschlagen, wo wir auch verlegt wurden. Und unser Schweizer Verlag (›Paquet‹) hat uns dann gefragt, ob wir beide nicht etwas Eigenes machen wollten.
Benjamin von Eckartsberg:
Die Idee zu ›Gung Ho‹ hatte ich schon ein paar Jahre vorher, hatte sie aber nicht komplett geschrieben, sondern immer nur einige Ideen festgehalten. Die habe ich Paquet gepitched, und als der es machen wollte, habe ich angefangen zu schreiben. Dann hat Thomy mit dem Zeichnen angefangen.
Wie entscheiden Sie, an was Sie zusammen arbeiten sollen/wollen?
Benjamin von Eckartsberg:
Wir müssen uns in der Welt, die das Projekt auftut, wohlfühlen. Es muss Klick machen.
Die Entscheidung hat weniger kommerzielle Aspekte, da man ohnehin nicht vorhersehen kann, was Erfolg haben wird.
Lesen Sie selbst auch Comics / Graphic Novels – wenn ja, welches war ihr letztes Comic / Graphic Novel die Sie gelesen haben?
Benjamin von Eckartsberg:
Ich lese gerade die Serie „Southern Bastards“ von Aaron & Latour und „Der Realist“ von Asaf Hanuka.
Ich kaufe mehr Comics als ich lesen kann. Ich muss noch einen großen Stapel abarbeiten. Als nächstes will ich mir „Drifter“ von Nic Klein und Ivan Brandon und „Drei Steine“ von Nils Oskamp vornehmen.
Sie haben nun noch die Möglichkeit Ihren vor Sehnsucht wartenden Fans etwas zu sagen:
Benjamin von Eckartsberg:
Wir freuen uns über jeden Leser und bitten um Geduld.
Besonders beim Comic gilt: Qualität braucht Zeit.