Am 25. November 2022 ist mit „Blüten und Frost“ von Grafi das neue Studioalbum über Geistermusik / Lauter Lauter (im Vertrieb von The Orchard) erschienen. Es ist das vierte Album. Das musste ich nochmal lesen. Gut, ich bin nicht im Rap-Game drin, war ich nie. Die Info wurden mir immer zugetragen. Aber, dass ich diese Musikkonstellation erst mitbekommen, obwohl es „mein“ bevorzugtes Genre streift? Naja, shit happens. „Blüten und Frost“ ist geradezu gespickt mit Geschichten vom Leben als Loner, von »Magic und Tränen«, »Adern voller Gift«, »Hexen und Feen«, »rabenschwarzen Tagen« und von Albträumen zersetzten Schlafphasen. Und machen wir uns nichts vor: Eine seltsam-sympathische Fabelwesen-Aura umgibt Grafi spätestens seit seinem Karrierestart.“
Weiter heißt es: „1985 in Würzburg geboren, versucht sich Grafi schon mit dreizehn an ersten Raptexten. Er fühlt sich zur Subkultur hingezogen, fährt Skateboard, »schreit« – wie er erzählt – irgendwann in Metal-Bands. Sobald es ihm möglich ist, verlässt er die Einöde in Richtung Berlin, wo er ab 2016 – inspiriert durch die Stücke des US-Rappers Bones – seine musikalischen Vorlieben vermischt.“ Metal kenne ich, check. Bones kenne ich auch, check. Da bin ich schon mal erleichtert, dass ich nicht komplett auf verlorenem Posten bin und partiell mit Einflüssen etwas anfangen kann.
Auch der Lockdown kommt in die Quere: „Während sich die Strukturen professionalisieren, platzt Grafis dritte Platte »Ektoplasma« in einen vom Lockdown überschatteten Frühling 2020. Wie schon »Ektoplasma« entsteht schließlich auch die EP »GLUT« – Grafis bis hierhin letztes Release – in enger Zusammenarbeit mit Produzent KCVS.” Davon können wahrscheinlich alle Künstler ein Lied singen.
Aber wovon handeln die Songs? Eine „Hassliebe-zu-Berlin-Komplex“ namens „»20 Messer«, in der Ballade »Red Drama«, die ein vertracktes, für Grafi häufig überforderndes Beziehungsmodell verbildlicht oder der Weltschmerz-Hymne »Alles verblasst«: Immer wieder geht es um unvermeidliche Zusammenstöße und Konflikte zwischen Anziehung und Enttäuschung, Liebe und Hass, ja, Blüten und Frost.“ In »Skimaske« „rechnet Grafi auf brachiale Art mit Musikindustrie und Red-Carpet-Scheinwelt“ ab, „um sein Bedürfnis nach Abgrenzung anschließend in »Keiner von uns« final zu manifestieren. Gegen Ende rückt Grafi den Themenkomplex Tod immer unmissverständlicher in den Fokus. Dass er im Song »Mausoleum« laut und schonungslos über den Moment seines Lebensaustritts philosophiert, mag seine Zuhörer:innenschaft im ersten Moment schocken, ist vor dem Hintergrund mehrerer überlebter Schlaganfälle in den letzten Jahren für Grafi aber längst kein tabuisierter Move mehr. Dass Grafi das Album schließlich dennoch mit dem als direkter Gegenentwurf interpretierbaren »Ich bleibe«, abschließt, zeigt, dass ihm »Blüten und Frost« selbst dabei geholfen hat, sich ein stückweit von Ängsten und Dämonen zu befreien.“
Auch wenn ich von Grafi noch nicht viel gehört habe, bin ich gespannt, was noch kommen mag. Wie unschwer an den von mir zitierten (zahlreich; sorry, faul alles nochmal umzuschreiben…) und deren Inhalt zu erkennen ist, hat es der Musiker auch nicht einfach gehabt. Schlaganfälle sind kein Spaß und der immer wiederkehrende Balance-Akt zwischen Ableben und Leben, Sinnhaftigkeit, Beziehungen, Freundschaft, Musikmachen, Träume realisieren etc. ist immer wieder auch, kann ich mir vorstellen, ein Erschöpfungszustand vorhanden. Selbst von mental health issues gplagt, kann ich mir das vielleicht noch besser vorstellen. Keine Ahnung. Trotzdem interessant. Bones und SuicideBoys laufen bei mir jedenfalls immer mal wieder. Von daher kein so seltenes Thema. Und auch nicht zwingend negativ. Dieser Prozess kann durchaus etwas heilendes haben. Auf jeden Fall mal reinhören, wenn ihr ein offenes Ohr euer eigen nennt.