Unter dem Comic Der Umfall von Mikael Ross – erschienen im Avant Verlag – habe ich mir erst etwas anderes vorgestellt. Ein Wortspiel, das absichtlich herbeigeführt wurde, vielleicht. Es war allerdings unabsichtlich und auch, bei näherer Betrachtung, kein Wortspiel in dem Sinne. Es war vielmehr das Substantiv dessen, was dem kleinen Jungen namens Noel im Krankenhaus gesagt wurde. Seine Mutter ist im Bad umgekippt, es war Blut dort, wo es nicht sein sollte, und im Krankenhaus sagte man ihm genau das: Deine Mutter ist umgefallen. Daher: Der Umfall.
Eines Tages kommt ein bärtiger Herr zu Noel. Er sagt ihm, er könne dort nicht mehr wohnen, müsse wegziehen. Weg von der Vertrautheit in Richtung Fremde. Eine Betreuungseinrichtung für andere Menschen mit Behinderungen. Letzten Endes kommt er nach Neuerkerode und erlebt dort vieles.
Die Geschichte wird aus Noels Sicht erzählt und ist voller Tiefschläge, Höhenflüge und mehr. Mikael Ross hat als Autor und Zeichner zwei Jahre dort recherchiert. Die Einrichtung wollte etwas Besonderes zum 150. Bestehen (zum 140. gab es eine Chronik, dieses Mal sollte es weniger nüchtern dargestellt werden). Herausgekommen ist dieser Comic. Der im Übrigen von dem 2018 in Leben gerufenen Comic-Stipendium als erster mit 18.000 € prämiert wurde.
Gut ist das Medium, wie in der Pressemappe erwähnt wurde, gerade auch deshalb, weil, selbst man nicht lesen kann, hat man die Bilder, die ebenfalls die Geschichte erzählen. Diesen Hintergedanken finde ich gut. Richtig ist ebenfalls, das solche Einrichtungen immer mit fehlenden Geldern zu kämpfen haben. Das neue Teilhabegesetz, was spätestens 2020 in Kraft treten soll, wird für viele Betroffene kein wirklicher Spaß, die Einrichtung hat ebenso wie gesetzliche Betreuer und Co. keinen wirklichen Spaß damit. Es sollen Büros eingerichtet werden, zwecks Beratung vorab. Davon ist bisher nirgends etwas zu lesen. Hauptsache ein Gesetz heraushauen. Ich schweife ab. Ich wollte eigentlich nur sagen, dass ich denen das vollkommen abnehme – und wahrlich auch jeder andere, der nicht blind durch die Gegend läuft – dass es immer ein riesiger, schmerzvoller K(r)ampf ist an Gelder zu kommen. Dabei sind solche und ähnliche Einrichtung dringend förder bedürftig und zu pflegen / zu betreuen. Damit denen, die dort wohnen wollen und teilweise müssen, ebenfalls etwas Gutes zugutekommen kann. Und das ist nicht immer so. Auch das kann man nachlesen. Und das ist keine Unterstellung an die betreffende Einrichtung. Eher eine Mischung aus Bedauern und Kritik von meiner Seite an Träger und Förderer solcher Einrichtungen.
Der Comic ist spannend auf seine Weise. Es interessant, vielseitig. Es zeigt düstere, aber auch positive Momente. Es ist nicht einfach zu lesen, sondern berührend. Obwohl es nur den Alltag im komprimierten Stil zeigt, prasselt viel auf den Leser ein. Wie viel das für einen Menschen dort ist, kann man wahrscheinlich nicht mal erahnen. Lesens- und empfehlenswert.
https://www.avant-verlag.de/comics/der-umfall
— Die Rezension erschien ursprünglich im Jahre 2018 —