Mit Tom von der Band Ancst konnte ich kürzlich ein Interview via E-Mail machen. Wir haben über Musik und Politik gesprochen – teilweise auch in Bezug auf Black Metal, vor allem aber generell. Religionen kamen ebenfalls darin vor. Viel Spaß beim Lesen! (Anmerkung: Das Interview stammt aus 2018 und wurde hier wiederveröffentlicht.)
1. Guten Tag und vielen Dank fürs Interview. Auch wenn es eine Standardfrage ist, wie bestimmt auch einige andere. Stellt euch doch bitte vor, erzählt unseren Lesern was ihr so macht innerhalb der Band Ancst.
Tom: Ancst sind Mirko (Gitarre), Robert (Gitarre), Stefan (Bass), Mihai (Drums) und Ich (Gesang). Die Band entstand aus einem Studioprojekt 2010 und spielt seit 2014 live.
2. Ghosts Of The Timeless Void ist seit einigen Monaten raus. Wie ist das Feedback seit dem Releasetag und wie zufrieden seid ihr mit dem Album?
Tom: Wir können uns nicht beklagen. Die Platte hat super Feedback eingefahren und Dank Lifeforce auch ein paar neue Leute erreicht die nicht unbedingt aus dem ganzen DIY Mikrokosmos kommen. Natürlich hattest du auch kritische Stimmen und ein paar Menschen war es dann doch zu weit weg von dem was wir auf der ersten Demo gemacht haben. Aber so ist das halt. Jeden wirst du nicht glücklich machen. Wir selbst sind mit der Platte sehr zufrieden. Ich finde das „Ghosts“ die ausgereifteste Ancst Platte bisher ist.
3. Es ist folgendes zu lesen: „anti-fascist, anti-sexist, anti-religion, death to NSBM“. Man sollte meinen, dass das selbstverständlich ist ebenso die Fähigkeit zwischen einzelnen und einer Gruppe zu unterschieden. Bezugnehmend auf einzelnen, die „der“ Antifa zuzuordnen und „Ärger machen“ und der ganzen Gruppierung. Die ja eher ein loser Verbund ist in der es zu verschiedenen Meinungen kommt bezüglich der Art Aufmerksamkeit, die man haben will und wie diese zu erreichen ist. Wie sehr fließen die einzelnen Themen bei euch in die Musik mit ein, wie gut sind die einzelnen Bereich umsetzbar?
Tom: Ich bin mir nicht sicher ob ich deine Frage richtig verstehe aber es ist nicht so das wir ne „Antifa-Black-Metal-Band“ sind und es in unseren Texten nur um das Aufzeigen rassistischer, sexistischer und sonst artiger Missstände geht. Wir verstehen uns alle als politische Menschen und finden es wichtig eine klare Linie zwischen uns und Personen zu ziehen, die aus welcher Motivation heraus auch immer, andere wegen so Dingen wie gesellschaftlich konstruierter Geschlechterrolle, kultureller Herkunft oder ganz simpel der Hautfarbe ablehnen. Um es kurz zu machen, wir haben auf so Leute einfach keinen Bock und teilen deren Attitüde nicht. Ich verstehe immer nicht so ganz warum das ein immer wiederkehrendes Thema in Interviews ist, weil in meiner Lebensrealität ist das nichts Besonderes, soziale Abgrenzungsmechanismen infrage zu stellen und abzulehnen. Wie du schon sagst, sollte das eine Selbstverständlichkeit sein in einer sich freiheitlich demokratisch gebenden Gesellschaft. Aber ja, solche Themen finden Einzug in unsere Musik und sind uns wichtig aber sie dominieren nicht den inhaltlichen Schwerpunkt dieser Band.
4. Da die ersten beiden Punkte dem Großteil einleuchtender erscheinen als die anderen beiden. Wieso Anti-Religion und wieso death to NSBM. Wo beginnt letztgenannter für euch? Schon bei der Verwendung fragwürdiger Symbolik (von Seiten vieler Black Metal Bands heißt es ja, dass dies schon immer Bestandteil der Provokationskultur war und selten wird ein klarer Schnitt vollzogen)?
Tom: Institutionelle Religion oder organisierte Religion haben in meinen Augen nichts im öffentlichen Raum verloren. Eine moderne und sozial intelligente Gesellschaft sollte nicht auf religiösen Grundsätzen aufgebaut sein vor allem wenn diese das Zusammenleben beeinträchtigen und Menschen ihrer Individualität berauben oder diskriminierend sind. Ich hab grundsätzlich kein Problem mit Spiritualität und einem individuellen Glauben aber sobald das die Gesellschaft formt, in der ich lebe, sehe ich rot. Wenn du Bock hast an Jesus oder das fliegende Nudelmonster zu glauben dann tue das aber versuch mir das nicht aufzudrängen und behaupte nicht das wäre die einzige Wahrheit da draußen. Weil das ist harter Bullshit.
Zum Thema Faschos im Metal: Es ist schwer zu sagen, wo Provokation aufhört und politisches Bewusstsein anfängt. Man redet darüber ja im Metal auch nicht öffentlich. Am liebsten wollen die meisten das dass Thema Politik vor der Tür bleibt. Aber nichts da. Warum sollte in einer Subkultur die Gegenkultur vor der Tür warten müssen? Wenn der politische und gesellschaftliche Mainstream der Ruck nach Rechts ist, dann wird das in der Subkultur wie eh und je Thema sein. Und da kann der Bierzeltmetaller noch so lange meckern. Es gibt genug coole Leute da draußen die wie wir genauso wenig Bock haben auf Stock-im-Arsch-Kartoffel-Nazis und für die die Metalszene und Hardcore-Szene schon immer ein bunter statt nur ein weißer Blumenstrauß war und ist. Ich habe das Gefühl das, dass auch immer mehr Leute raffen, das es mal nötig ist da auch mal das Maul aufzumachen und nicht zu zulassen das ein paar Hirnis die Subkultur unterwandern.
5. Anti-Religion schließt ja alle ein. Wie schwierig / problematisch findet ihr es zu unterscheiden zwischen religionskritischem und islamfeindlichem Inhalt. Für viele scheint das eine schwierige Sache zu sein: sowohl die Vermeidung als auch die Differenzierung. Oftmals ist einfaches Religion-Bashing auch nicht angebracht, da eine Differenzierung nötig erscheint und spezielle Punkte innerhalb des Islams, des Christentums etc. kritisiert werden sollten / müssen. Wie ist bzw. wäre hier euer Ansatz?
Tom: Für mich sind da alle Religionen gleich. Mir egal ob du den Koran ließt, die Bibel, die Tora oder buddhistische Glaubensschriften. Wenn du ein Arschloch bist, bist du halt ein Arschloch, egal wie du dabei aussiehst, welche Sprache du sprichst oder zu welchem Gott du betest.
6. Natürlich ist das eine persönliche Einstellung, wenn ihr anti-fascist, anti-sexist, … etc. seid. Doch wie viel Raum bleibt auf einem Album für andere persönliche Themen? Und welche Themen sind das, die sonst noch einfließen. Vielleicht einige Beispiele, möglicherweise vom aktuellen Album.
Tom: Wie schon erwähnt sind politische und sozial/gesellschaftskritische Themen nicht die einzigen Dinge über die wir es wichtig finden zu reden. Viele Lyrics auf den letzten Platten sind auch sehr persönlich. Ein Katalysator für den eigenen Frust. Emo Alta!
Auf dem aktuellen Album hast du zum Beispiel Songs wie „Dying Embers“, bei dem es um die Mauern geht die wir zwischen uns hochziehen. Sei das nun verschuldet durch die Schnelllebigkeit der Großstadt, in der ich wohne oder den technischen Fortschritt. Oder schau dir „Dysthymia“ an, in dem es um Depressionen geht. Aber alles persönliche ist auch politisch, hat mal ein schlauer Mensch gesagt, deswegen zieh ich die Linie zwischen den Texten gar nicht so hart. Es kommt halt darauf an wie du sie liest.
7. Ancst, Angst. Und Angst gibt es seit Jahren zuhauf. Angst vor der Fremde, dem Fremden, dem Unbekannten. Und das ist nicht zwingend auf die Flüchtlingskrise bezogen. Man weiß ja auch nicht, was nach beispielsweise Merkel kommen wird, was nach der nächsten Finanzkrise kommt, was das Loch des Kapitalismus füllen kann und sollte, wenn dieser mal reduziert oder abhanden gekommen ist. Das ist ja immer von der herrschenden Klasse, auch etwas, wovor man Angst haben kann, sollten Klassen reduziert oder gar ganz wegfallen, abhängig aber auch von dem Engagement der Bürger eines Landes. Sofern dieses Engagement nicht durch Gesetzgebungen direkt unterdrückt wird. Was bedeutet für dich / euch der Bandname und wie könnte man Angst in den Griff bekommen?
Tom: Ich glaube meine Antwort würde komplett den Rahmen dieses Interviews sprengen, daher nur so viel: Ich denke das Angst eine starke Emotion in der Zwei-Klassen-Gesellschaft ist und für mich persönlich ist Angst eine vorherrschende Variabel meines Lebens. Ein Grund warum ich Musik schreibe und vor allem warum ich diese Art von Musik spiele, ist das sie auf mich wie ein Katalysator wirkt und ein Ventil ist um Ängste abzubauen und mir derer klar zu werden. Es ist ja auch immer eine Reise in mein eigenes Ich. Für Torsten (unseren ehemaligen Sänger) und mich war das der perfekte Name da wir beide glaub ich Zeit unseres Lebens mit Ängsten zu kämpfen hatten.
8. Bezugnehmend auf die vorhergehende Frage. Natürlich wäre es eine Lösung Fakten statt Lügen, und Fake News zu verbreiten. Nicht jeder ist aber dafür empfänglich sonst hätten wir einige Probleme möglicherweise nicht. Fake News zu verbieten eine andere, doch dann muss man sich anhören, man würde die Meinungsfreiheit beschneiden oder nicht offenen Augen und Ohren durch die Gegend laufen. Was wäre hier euer persönlicher Ansatz? Für jede Zielgruppe Aussteigerprojekte schaffen?
Tom: Ich glaube nicht das Fake-News der Grund für ernsthafte Angststörungen sind. Wenn du es nicht schaffst, die Informationen, die dir dein Facebookfeed zum Fraß vorwirft, zu filtern, solltest du nicht im Internet hängen. Die Leute müssen aufhören jeden Scheiß zu glauben der da steht. Versteh mich nicht falsch, ich geh lieber mit einem Fragezeichen über dem Kopf durchs Leben als alles so zu schlucken wie es mir serviert wird aber ich muss auch nicht jeden Scheiß glauben. Und manchen Leuten fällt das anscheinend schwer eine Search-Engine zu benutzen oder ein Buch zu lesen wenn mal was unklar ist. Nicht alles ist gleich eine Verschwörung und nicht jede Nachrichtenseite lügt per se. Es kommt immer darauf an wie du deine Informationskanäle benutzt. Und was willst du da verbieten? So lange es Menschen gibt, gibt es Fake News. Get over it!
9. Zum aktuellen Album gab es auch eine Tour. Mit welchen Bands und wie verlief diese?
Tom: Die verlief gut. Wir waren 3 Wochen unterwegs. Haben 10 Länder bereist und hatten eine Menge Spaß und haben einen Haufen tolle Leute kennengelernt. Wir haben ein paar Shows mit unseren Freunden von Depravation gespielt und waren aber die meiste Zeit alleine unterwegs.
10. Und auch wenn das Release noch frisch ist. Wir schon an neuem Material gearbeitet?
Tom: Na klar. Die nächsten Releases sind schon längst in Planung.
11. Spielt ihr noch in weiteren Bands?
Tom: Ja, obwohl das im Alter und auch mit dem Timemanagment von Ancst oft schwierig ist. Mirko spielt noch bei Sinatra. Das ist so Chaoscore/Mathcore. Und ich spiel noch bei Henry Fonda. Powerviolence/Grindcore mit leichter Metalkante.
12. Die obligatorische Frage nach den Zukunftsplänen. Wie sehen diese bei euch aus? Gleichzeitig kann diese Frage auch für Grüße, Videos etc. genutzt werden. Danke fürs Interview.
Tom: Danke das du dich hingesetzt hast und ein paar Fragen gestellt hast. Wir reißen jetzt erstmal den Festivalsommer ab und spielen ein paar nette Sachen wie das Summerbreeze, das Fluff Fest und das Hardcore Help Foundation Fest und werden voraussichtlich im Herbst wieder auf Tour sein. Ein paar neue Veröffentlichungen kommen dann auch Ende des Jahres. Es bleibt spannend. So wie immer.