Mit Theus (Lead-Gitarre) und Sanni (Gitarre, Backing Vocals) von der Band Why Amnesia aus dem Ruhrgebiet gibt es hier ein Interview. Das aktuelle Studioalbum “Angels’ Share erschien am 7. Juli 2023. Dazu gibt es hier die Möglichkeit zum Streaming. Aber weiter unten auch ein Video. Jetzt aber viel Spaß beim Interview mit Why Amnesia. Gesprochen haben im Übrigen über Songwriting, Reaktionen und Emotionen, Instrumente und Technik, musikalische wie literarische Einflüsse und einigem mehr.
Welches Album hatte den größten Einfluss auf dich als Musiker?
Theus: Ich denke, das war „Appetite for Destruction“ von Guns’n’Roses… Sanni meinte allerdings letztens, als wir „Vs“ von Pearl Jam gehört haben, dass man bei meinem Spiel viel mehr Einflüsse von denen bei mir hört. Letztendlich gibt es wahrscheinlich nicht „das“ Album mit dem größten Einfluss, sondern eine Auswahl von Alben, die immer wieder durch meine Boxen oder Lautsprecher knallen – die beiden sind zwei davon, aber definitiv zwei der wichtigsten.
Sanni: Das lässt sich auch bei mir nicht genau bestimmen. Als ich angefangen habe, Gitarre zu spielen, habe ich klassischen amerikanischen Hardrock gehört, was mich definitiv beeinflusst hat. Ein weiterer Einfluss war dann aber für mich die Grunge-Ära, vor allem Nirvana und Pearl Jam. Deren Alben „Nevermind“ und „Ten“ habe ich rauf und runter gehört. Auch heute gehören die Foo Fighters zu meinen Lieblingsbands, vor allem das Album „A Color And A Shape“, aber auch die Dead Daisies mit „Make Some Noise“.
Welcher Song kam positiver bei dem Publikum an, als du erwartest hast? Und wieso hattest du diese Erwartung(en)/Befürchtungen?
Theus: Grundsätzlich stehe ich hinter allen unseren Songs – und hatte dementsprechend keine Befürchtungen – auch wenn man vor einer Veröffentlichung natürlich mit Spannung erwartet, wie die einzelnen Songs nun tatsächlich rüberkommen. Ich denke auch, dass wir live alles authentisch rüberbringen – und da hängt es natürlich auch davon ab, auf was für einem Event Du gerade spielst. Erfahrungsgemäß kommen bei echten Rock- oder Metalfestivals die schnelleren Nummern besser an als bei Veranstaltungen, die sich mehr an das Mainstream-Publikum wenden oder wo Bands aus unterschiedlichsten Genres vertreten sind.
Positiv überrascht war ich dann doch von der Resonanz auf unsere Ballade „Pour Me a Whiskey“, zu der wir insbesondere aus Amerika viel gutes Feedback bekommen haben.
Sanni: Grundsätzlich fiebert man als Musiker und Songwriter bei jeder Veröffentlichung und hofft, dass die Songs positiv vom Publikum und Kritikern aufgenommen werden. Bei „Angels´ Share“ war es für mich „Avalon“, den ich überhaupt nicht einschätzen konnte – der Song ist für mich persönlich aus meiner Komfortzone heraus, kommt aber gerade beim Metal-Publikum sehr gut an.
Gibt es ein Buch/Film, das/der Einfluss auf eure Texte genommen hat? Wenn ja, welches/welcher und wieso (gerade dieses Werk)?
Theus: Auch wenn ich immer mal gerne etwas zu dem einen oder anderen Text beisteuere, kommen die Texte auf diesem Album in erster Linie von Sanni (Rhythmusgitarre/Backingvocals) und von Shirley (Vocals).
Wir drei sind große Fans von Fantasyromanen – was sich auch beim Coverdesign ausgewirkt hat. Einer dieser Romane, nämlich die „Nebel von Avalon“, hatte ganz erheblichen Einfluss auf den Text zu „Avalon“ – also nicht nur auf den Songtitel. Das ist einer von Sannis Lieblingsromanen.
Sanni: Normalerweise passiert dies eher nicht und unsere Lyrics basieren eher auf persönlichen Erfahrungen/Erlebnissen. Tatsächlich habe ich aber während unserer Songwriting-Phase das Fantasy-Epos „Die Nebel von Avalon“ von Marion Zimmer-Bradley gelesen und war davon völlig in den Bann gezogen – ich habe mich viel mit den Beweggründen der Protagonisten für Ihre Handlungen beschäftigt, und da wir parallel gerade an einem Song gearbeitet haben, sind meine Überlegungen / Interpretationen in die Lyrics eingeflossen. Der Song „Avalon“ ist also in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich für mich und die Band, vor allem der Chorus-Part hatte dabei aber auch diese mystische Stimmung, zu dem ein Fantasy-Thema passte. Der Titel sollte dann eigentlich nur Arbeitstitel sein, letztendlich fanden wir ihn aber alle zum Song und zum Artwork des Albumcovers passend, so dass wir ihn beibehalten haben.
Wie entstehen eure Songs in der Regel, ausgehend von einem Riff, spielt ihr einfach los und ordnet dann …?
Theus: Das ist schon meistens so, dass ich irgendein Riff spiele oder vor mich hindudel – irgendwann schreit Sanni dann „spiel das noch mal“ oder „merk Dir das“. Dann singt sie irgendeinen Text oder eine Melodie dazu und wir entwickeln einen Song daraus, den wir dann den anderen vorspielen und jeder trägt seinen Senf dazu bei. Es gibt aber auch andere Momente – Pour Me a Whiskey ist zum Beispiel mit der Akustik-Gitarre auf der Couch entstanden. Ich habe Akkorde gespielt und Shirley hatte gleich eine Melodie im Kopf… die Mädels hatten sehr zügig einen Text und haben mir gesagt, was ich spielen soll… „Hey You“ ist im Proberaum entstanden. Ich hatte ein Riff, wir haben darauf gejammt, Sanni hatte eine Gesangslinie. Als wir damit angefangen haben, war Shirley gerade krank. Sie hat sich dann quasi bei der nächsten Probe angehört, was wir so verzapft hatten, und hat das Ganze dann veredelt…
Sanni: Ein Riff, ein Satz/Wort, eine einzelne Melodie – aus allem kann ein Song werden. „Einfach losspielen“ ist bei fünf Leuten schwierig, meistens sitzen Theus und ich zusammen oder auch Shirley kommt dazu und wir nehmen die grobe Idee auf und arrangieren, bevor wir damit in den Proberaum gehen. Aber wie Theus es schon beschrieben hat, es kann auch andersherum laufen, und wir gehen dann danach ans Finetuning.
Was für Emotionen wollt ihr beim Publikum auslösen und weshalb?
Theus: Ich persönlich kann nur sagen, dass ich das Publikum insgesamt mit einem Song „einfangen“ will. Ich möchte, dass sie das, was sie von uns hören, gut finden, also etwas Positives damit assoziieren. Daher versuche ich mit der Gitarre auch, Wiedererkennungswert zu haben, erkennbare Lines zu spielen, die den Song stützen und nicht möglichst schnell irgendwelche Skalen ohne Bezug zum Song aber mit toller Technik rauf und runter zu ballern. Wir haben nachdenkliche oder wütende Songs oder Songs, die einfach nur vom Feiern handeln. Im Optimalfall kommt das alles irgendwie rüber.
Sanni: Grundsätzlich sehe ich hier für mich einen Unterschied zwischen Live-Publikum und dem Album-Hörer. Live möchte ich dem Publikum Unterhaltung bieten, hier steht für mich das Mitfeiern und Abrocken im Vordergrund. Hier sehe ich Songs wie „Rollercoaster“, „First Time“ und „Sister Shae“, die genau darauf abzielen. Dem Album-Hörer möchte ich aber auch Anreize zum Nachdenken bieten können, zum Beispiel mit einem Song wie „Lightning Strikes“, der sich im weiteren Sinne mit dem Umgang von uns Menschen mit unserer Mutter Erde befasst, oder aber auch „Tomorrow“ mit verträumteren / verspielten Lyrics, die viele Interpretationsspielräume lassen. Solche Songs sind für ein Live-Set in der Regel aber zu sperrig, und das Publikum bekommt von den Lyrics in den seltensten Fällen was mit. Ich finde es persönlich wichtig, beides zu haben.
Welches Instrumentarium habt ihr bei euren Aufnahmen zum aktuellen Album genutzt und wieso fiel die Wahl genau darauf?
Theus: Ich hatte schon einige Gitarren am Start. Lustigerweise stellte sich im Studio heraus, dass die Gitarre, mit der ich geplant hatte, alles einzuspielen, letztendlich nur bei „Pour Me A Whiskey“ zum Einsatz kam… und bei „Rollercoaster“ glaube ich. Das ist eine Fender 60s Strat aus dem Custom Shop. Bei den meisten Songs habe ich mit einer Fender 50s Custom Shop Strat gespielt, die mit ihrem einteiligen Ahorn Hals viel knalliger rüberkam. Fast genauso häufig habe ich eine Fender Highway One Tele benutzt, bei der ich einen heißeren Singlecoil am Steg und einen P90 am Hals eingebaut habe. Bei Tomorrow habe ich eine Gibson ES 335 gespielt, die Sanni gehört. Bei Avalon schließlich habe ich alle Riffs mit der 50s Strat eingespielt und mit meiner Gibson Les Paul Standard gedoppelt und damit auch das Solo eingespielt.
Als Amp kam bei mir nur mein Marshall Silver Jubilee Mini Combo zum Einsatz, bei dem wir eine 4×12 Box mit Celestion Greenbacks mit dem OX simuliert hatten. Live spiele ich sonst Celestion V30s in einer 4×12 Marshall Box. Robin, unser Produzent, hatte eigentlich geplant, per Reamping noch alles über einen Marshall JMP zu doppeln, den er im Studio hat, und ich wollte eigentlich noch einen alten VOX AC30, der Robins Vater gehört, einsetzen. Am Ende sind wir aber allein bei dem Sound vom Silver Jubilee geblieben – einfach weil er geil klingt und genau diese raue Direktheit hat, die ich liebe. Als einzigen Effekt davor hatte ich mein Slash-Wah und beim Intro von Rollercoaster ein Variac-Fuzz von MXR, um diesen schön kaputten Sound hinzubekommen.
Sanni hat eigentlich überall ihre Gibson Paulas eingesetzt. Am häufigsten eine Slash Signature Goldtop Standard, sonst eine Standard von 2008 mit Häussel Alnico II Vintage Pickups, dann noch eine rote Slash Signature, die etwas runder klingt als die goldene und nicht so bissig ist. Bei Tomorrow ist auch noch eine Fender American Vintage 50s Strat zum Einsatz gekommen, bei der Texas Special Pickups verbaut sind. Ihr Amp war durchgehend ein ENGL Richie Blackmore Signature, den sie seit Jahren spielt. Auch der ging über den Ox im Studio, wir haben da eine 4×12 Box mit V30-Speakern simuliert – das entspricht auch ihrem Live-Equipment mit einer Marshall 1960AV. Keine Effekte davor.
Mathes, unser Bassmann, hat alles über seinen Musicman Stingray eingespielt – direkt übers Pult durch irgendwelche sauteuren Röhrenpreamps, die Robin im Studio hatte, zu denen ich aber nichts weiß.
Shirley sollte erst über ein altes Röhren-Mikro singen – das kam aber bei ihrer Stimme und ihrem Druck und der Dynamik schnell an seine Grenzen, sodass Robin sich für ein Shure SM7b entschieden hat, was Shirleys Gesang sehr entgegen kam.
Knuffi hat alles über ein DW Drumset eingespielt, bei dem auf Wunsch von Robin vorher spezielle Felle von Remo aufgezogen wurden, die besonders viel Druck haben sollen. Die Resonanzfelle wurden durch Schlagfelle ersetzt. Ein ganz besonderer Sound-Bestandteil beim Schlagzeug war aber auch ein Mikrofon von Scopelabs für den Raumsound, was einen einzigartigen Sound produziert. Sieht aus wie ein Periskop…