Mit Tommy And The Teleboys konnte ich schon Anfang Juli ein Interview führen. Teilgenommen haben Simon Pense (Vocals, Synthie, Gitarre), Gregor Schuster (Bass, Vocals), Tom Konheißner (Drums, Synth, Backing Vocals) und Fabian Osinsky (Lead Gitarre). Ihr aktuelles Album “Gods, Used, In Great Condition” erscheint am 30. August 2024.
Welches Album hatte den größten Einfluss auf dich als Musiker?
Da wir alle aus unterschiedlichen Richtungen zusammengefunden haben, hier vier Antworten für vier Bandmitglieder:
Simon: Arctic Monkeys -AM
Ich würde Felix Kummer bei allem zustimmen aber dass die Welt ein besserer Ort wäre wenn Josh Homme nie die Arctic Monkeys produziert hatte ist eine dreiste Lüge. Meine Heimat war eigentlich immer der Indie Rock, und wer, wenn nicht die Arctic Monkeys sind die Hauptstadt davon. Komische Metapher irgendwie naja.
Also AM hat wirklich von vorne bis hinten keine Schwachstellen und das würde ich heute nicht mehr über viele Alben meiner jüngeren Jahre sagen. Auch wenn vielleicht nicht mehr viel Indie bei uns übrig geblieben ist und ich mittlerweile meist in anderen Gefilden herumhöre, hab ich früher sicher 1000 mal probiert ein Riff wie Do I wanna know zu schreiben. Ich kann den zwar mittlerweile echt nicht mehr hören und sicher ist das keine coole kantige Antwort, aber OBJEKTIV betrachtet ist AM 11/10!
Gregor: Sonic Youth – Dirty
Dirty ist nun wirklich nicht das beste Sonic Youth Album…mittlerweile halte ich einige der Songs für absolut skip-able und das Gejaule von Thurston Moore ist zuweilen auch ganz schön cringy. Aber das Album war für mich in meinen Teenagerjahren die Eintrittskarte in die Welt des schiefen, schrägen und schönen Gitarrenkrach. Was die alles mit ihren Klampfen anstellen, Wahnsinn! Feedback und Lärm dürfen auch ein valide Parts im Songwriting sein?! Nach Dirty war für mich nichts mehr wie zuvor und dafür liebe ich es! Deshalb hatte vermutlich kein anderes Album auf mich als Musikhörer und -schaffender
nachhaltig einen größeren Einfluss.
Und dank Kim Gordon weiß ich, dass der Bass eh das beste Instrument in der Band ist. 🙂
Tom: Fuzz – Fuzz
Ich glaube für mich gibt es zu dieser Frage nicht die “eine” konkrete Antwort. Bin Genre- und Sound-technisch schon sehr viel herumgesprungen. Jedoch ist Fuzz für mich auf jeden Fall ein nennenswertes Beispiel. Ty Segall und Kollegen waren für mich damals so ziemlich mein Gateway into krachigen Psychedelic-/ Fuzz-Rock und dieses Album gehört immer noch zu den Besten seines Genres. Damals hat es mir auf jeden Fall die Ohren geöffnet für die Mucke, von der ich nun ein Teil bin.
Wer weiß … vielleicht würde ich nicht hier sein, wenn nicht wegen diesem Album. 😀
Fabi: Monsters Eating People Eating Monsters (Frankie and the Witch Fingers)
Puuh garnicht so einfach… Aber wenn es denn sein muss, dann fällt meine Wahl wohl definitiv auf dieses wunderbare Album, welches für mich einen wichtigen Wendepunkt darstellt. Weg von “klassischem Rock/ stoner Rock” und rein in den modern Psych Rock. Alles grooved so schön, ist zackig und verspielt. Keine unnötig langen Solos, sondern songdienlich und nach vorne. Und natürlich an den richtigen Stellen ein wenig noisy. Für mich eine Erleuchtung. So will Ich auch klingen! Bis heute begleitet mich beim Schrieben der Parts oft die Frage: Wie würde es sich bei Frankie anhören?
Welcher Song kam positiver bei dem Publikum an, als du erwartest hast? Und wieso hattest du diese Erwartung(en)/Befürchtungen?
Gefühlt läuft es bei uns eher andersherum. Wir haben in der Vergangenheit immer mal wieder festgestellt, dass manche Songidee wider erwarten dann doch weniger Resonanz beim Publikum hatten als erhofft. Diese Songs verschwinden dann ganz schnell wieder von der Setlist. Bei den Songs, die in unseren Sets immer laufen und gut ankommen wussten wir natürlich schon im Vorhinein dass es Selbstläufer werden. (Je schneller desto besser ist unsere komplexe Formel). Beim nächsten Album also alles über 200 BPM.
Ein kleines Beispiel gibt es aber doch: wir haben unseren Song “Totally Regular Supervillain” (von unserer 2022er EP ROGER T) vor einiger Zeit live mit einem ziemlich ausuferndem Noise-Jam angereichert. Mit solchen Parts ist das ja immer so eine Sache, so etwas kann auch schnell ein bisschen too much sein. Aber tatsächlich funktioniert es live ganz hervorragend. Und seitdem gehen wir mit unseren Lärm-Parts generell selbstbewusster um.
Gibt es ein Buch/Film, das/der Einfluss auf eure Texte genommen hat? Wenn ja, welches/welcher und wieso (gerade dieses Werk)?
Allgemein hängen alle Tracks auf unserem Album inhaltlich lose zusammen. Dabei haben wir uns meist eher vom aktuellen Weltgeschehen und Personen (wie everybody’s darling Jeff Bezos) inspirieren lassen, die unser kleines dystopisches Televersum füllen.
Im Song “Beach 23” finden sich Versatzstücke aus dem Klassiker 1984. All das nachzulesen im Lyric-Sheet, der unserer LP beigelegt ist 😉
Und für alle die es kennen: der Songtitel SAREVOKK ist an den ewigen Bösewicht des DnD-Klassikers Baldurs Gate angelehnt. Inhaltlich ging es dann doch eine andere Richtung. Aber vielleicht kommt dann auf dem nächsten Album unser episches Fantasy-Epos.
Wie entstehen eure Songs in der Regel, ausgehend von einem Riff, spielt ihr einfach los und ordnet dann …?
In den meisten Fällen kommt einer von uns (meistens Simon 🙂 ) mit einer mehr oder weniger ausgearbeiteten ersten Demo um die Ecke. Es gibt ja dankenswerterweise mittlerweile hervorragende Mittel und Wege, zuhause Song-Ideen in vernünftiger Qualität aufzunehmen. Das ist für uns besonders wichtig, da wir ja auf zwei Städte (Halle und Berlin) verteilt sind und uns leider Gottes nicht jede Woche sehen können.
An den Song-Skizzen basteln wir dann gemeinsam herum, jammen die Riffs endlos im Kreis, schreiben und verwerfen neue Parts, probieren die Stücke live aus, betreiben Fine-Tuning bis die Sache dann am Ende rund ist. Oder eben nicht, dann verschwindet der Song eben wieder in der Versenkung.
Wobei es natürlich aber auch Songs gibt, die ganz klassisch aus einem bierseligen Proberaum-Jam entstanden sind.
Was für Emotionen wollt ihr beim Publikum auslösen und weshalb?
Wir wollen die Leute schwitzen sehen!! Wir sind ja nicht die Smiths und wollen die Leute auf eine emotionale Achterbahnfahrt schicken.
Bei uns geht’s ein bisschen simpler zu: die Zuhörer*innen sollen doch bitteschön zusammenkommen, alles rauslassen, sich (bitte rücksichtsvoll) anrempeln, sich in den Armen liegen oder sich zumindest einfach nur peinlich berührt in die Augen schauen. Weil ganz ehrlich, das ist es doch, was ein gutes Konzert ausmacht.
Welches Instrumentarium habt ihr bei euren Aufnahmen zum aktuellen Album genutzt und wieso fiel die Wahl genau darauf?
Dann gehen wir mal das ganze Instrumentarium von A bis Z durch:
Letzten Endes wurde alles genutzt, was wir zur Verfügung hatten, da wir die Aufnahmen zusammen mit unserem Buddy Jeremy Gabrysch (checkt seine Band Hadzen) in Eigenregie bewerkswelligt haben.
Das ist tatsächlich gar nicht so unheimlich viel, weshalb es sich so ziemlich mit dem Live Equipment überschneidet. Für Fabis Gitarre ein Fender Hot Rod Deluxe und Marshall Origin (beide ordentlich aufgedreht für einen schönen Vorstufen Crunch), natürlich eine Telecaster und tonnenweise Effekte. Herzstück dabei: verschiedene Fuzz-Treter und das Strymon Timeline Delay. Dabei ist insgesamt mindestens doppelt so viel Zeit (wenn nicht sogar mehr) für das Einstellen von Effekten und Spielereien wie für das Einspielen an sich draufgegangen.
Da wären wir dann auch beim Fine-Tuning. Für Fabi bestand dies aus unzähligen Varianten an Effektreihenfolgen und Einstellmöglichkeiten der Effektpedale. Nach dem Motto: “Ja das hört sich cool an, aber wie ist es wenn… “
Besonders wichtig war es, dass alle Delay Sounds mit der Verstärker Charakteristik aufgenommen werden und nicht später erst Digital hinzugefügt werden. Heißt Reamping des perfekten Takes und den Mix Wet, so dass für die Mixe jeweils eine reine Delay und Gitarren Spur zur Verfügung standen.
Beispiel SAREVOKK Solo (Delay in front of Amp + Tube Screamer +2x Fuzz + Flanger im Effektloop)
Simons Gitarre auf der Platte bestand eigentlich nur aus einer Telecaster, einer Orange Rocker Kombo und ein bisschen Fender Blues Deluxe Sound, in Kombination mit 100 Effekten. Fabi ist keine Ausnahme: Wir sind alle etwas Pedalsüchtig, auch bei Simon kam ein ganzes Arsenal an verschiedenen Modulationseffekten und Zerrer-Pedalen zum Einsatz. Die Geheimwaffe fürs Grobe: Death by Audio – Absolute Destruction. Der Name hält was er verspricht. Keine Gitarrenskills notwendig, nur Lärm, Lärm Lärm!
Dann kam noch ein Korg Minilogue dazu, der alle Synthieparts und viel viel Atmo gemacht hat. Klasse Teil, sehr gut zu bedienen. Quasi das iPone unter den Synthesizern.
Der Bass-Sound des Albums ruht auf zwei Säulen: einem Rickenbacker und einen verzerrten Orange Verstärker. Also eine stabile Grundlage mit der ja eigentlich gar nichts schiefgehen kann. Oben drauf noch ein paar zusätzliche Fuzz-Boxen (Green Russian Big Muff / Penumbra) und Effekte (Uni-Vibe), und dann war’s das schon.
Viele verschiedene Percussions haben die Überladung aller Songs dann komplett gemacht. Aber so muss das! Nicht zu vergessen: die türkische Saz, die auf “Night at the Junkyard” zu hören ist.
Fun Fact: tatsächlich wurde das Zwitschern, mit dem das Album eingeleitet wird und ausfadet, von uns mit den kleinen Vogelwasserpfeifen eingespielt, die in Portugal an arglose Touristen verkauft werden.
31.08.2024 DE – Berlin – Urban Spree RecRel.Party w/ Isoscope & Go Mahhh
09.11.2024 DE – Husum – Speicher (+The Pighounds & Keele)
13.09.2024 DE – Ingolstadt – Neue Welt
14.09.2024 DE – Darmstadt – Sumpf
05.10.2024 DE – Halle – Telefest – tbc
09.11.2024 DE – Husum – Speicher
16.11.2024 DE – Erfurt – Klanggerüst
13.01.2025 DE – Bamberg – Live Club
14.01.2025 DE – Weimar- C-Keller