Der SPERLING-Sänger/Bassist Jojo hat sich den sechs Fragen in diesem Interviewformat gestellt und wir sprachen über Einflüsse, Erwartungen, Instrumente, die aktuelle Platte „Menschen wie mir verzeiht man die Welt oder hasst sie“ (unsere Review) und einigem mehr.
Welches Album hatte den größten Einfluss auf dich als Musiker?
Natürlich gibt es viele Einflüsse und Inspirationen, vor allem wenn sich ein Schreibprozess über Monate oder manchmal sogar Jahre hinzieht. Ich würde aber sagen das wichtigste Album für mich persönlich ist das Album „The Slim Shady LP“ von Eminem. Auch wenn es keinen wirklich hörbaren Einfluss auf unsere Musik hat, so war diese Platte trotzdem der Grund, dass ich angefangen habe Texte zu schreiben. Ich habe vorher schon viel Rap gehört, hauptsächlich im deutschsprachigen Bereich, aber diese Platte war für mich etwas komplett Neues. Ich fand damals, wie heute auch noch, die Art wie er seine Texte schreibt und rüberbringt – ein bisschen dreckig, aber ehrlich und nie zu gradlinig auf dem Beat – einfach einzigartig.
Auch thematisch war das Album wesentlich düsterer, als das, was ich sonst an Musik gehört habe, es handelt neben der schwierigen Kindheit und Abhängigkeit auch um mentale Gesundheit, Enttäuschung und Depressionen. Das wird alles so schonungslos erzählt, stellenweise sehr explizit und überzogen, aber wie gesagt eben auch sehr ehrlich und weil ich so etwas auch erschaffen wollte, habe ich danach angefangen meine ersten eigenen Texte zu schreiben. Zuerst sogar auf Englisch, dann aber auf Deutsch, weil es mir so viel leichter fällt mich auszudrücken. Aber wie am Anfang schon gesagt gibt, es auch einige andere Alben, die mich inspiriert haben, zum Beispiel „Kalenderblätter“ von Fabian Römer oder „Angst“ von Lange Butters, um nur zwei zu nennen.
Welcher Song kam, positiver bei dem Publikum an, als du erwartest, hast? Und wieso hattest du diese Erwartung(en)/Befürchtungen?
Da fallen mir auf Anhieb sogar zwei ein. Ich persönlich war überrascht, dass der Song DÜNNER ALS PAPIER so viel positives Feedback bekommt. Ich kann auch schwer sagen, wieso ich mir unsicher war, wahrscheinlich weil der Text auch sehr persönlich ist. Es geht um eine gute Freundschaft, um die ich mich sehr schlecht gekümmert habe, weil ich mich oft und lange nicht gemeldet habe. Irgendwann ist dann da ein Gespräch entstanden, was nicht besonders schön, aber dafür sehr ehrlich war. Daraus resultiert tatsächlich auch der Albumtitel „Menschen wie mir verzeiht man die Welt oder hasst sie“, weil das so ungefähr in meinem Kopf stand, als das Gespräch dann zu Ende war. Es erzähl generell von der Angst andere durch mein Handeln zu enttäuschen und irgendwann zu vertreiben.
Der andere Song bei dem ich bzw. eigentlich die ganze Band, kleine Zweifel hatten, war der Song WACH. Das rührt wahrscheinlich daher, dass er einfach musikalisch in eine wenig experimentellere – oder besser gesagt für uns noch ziemlich ungewohnte Richtung geht. Das Instrumental entfernt sich ein wenig vom Gewohnten und geht mehr in Richtung Synthiepop oder Shoegaze. Das war für uns natürlich spannend zu sehen, wie der Song die Menschen erreicht und ob er sie abholt. Umso mehr freuen uns jetzt über jede positive Nachricht, die wir darüber lesen!
Gibt es ein Buch/Film, das/der Einfluss auf eure Texte genommen hat? Wenn ja, welches/welcher und wieso (gerade dieses Werk)?
Vielleicht weniger Buch und Film, aber dafür Videospiel und Serie! Ich habe das hier und da schon mal erzählt, dass ich großer Fan vom Postapokalyptischen Genre bin, weil es die Menschheit immer von ihrer „nackten“ Seite zeigt und damit richtig krasse Geschichten entstehen können – im positiven wie auch im tragischen. Ein Titel, der mir dabei besonders gefällt ist, die „The last of us“ Reihe. Ich finde die Charaktere unfassbar gutgeschrieben und entwickelt und die kleinen Geschichten, die rund um die Hauptstory entstehen einfach krass lebendig und glaubhaft. Aus dieser Inspiration ist vor allem der Song FROST entstanden. Hier geht es auch um eine Welt, in der die Menschheit größtenteils verschwunden ist und die Erde sich erst dadurch wieder regenerieren kann. Man vergisst ziemlich oft, dass wir die Welt viel mehr brauchen als sie uns – wir aber gerne so tun, als wäre das andersrum und dadurch Wahnsinn viel zerstören. Es klingt vielleicht seltsam, aber der Gedanke, dass die Erde sich irgendwann ein Stück ihrer Natur zurückholt, bevor wir alles kaputt gemacht haben, hat irgendwie auch etwas Tröstendes.
Wie entstehen eure Songs in der Regel, ausgehend von einem Riff, spielt ihr einfach los und ordnet dann …?
Beim ersten Album war es tatsächlich eher ein „drauf los spielen“. Das lag unter anderem daran, dass wir alle sehr nach beieinander gewohnt – und sehr viel Zeit zum Proben und Musik machen hatten. So sind dann durchs Herumspielen und Probieren einfach Songs entstanden, die dann irgendwann auf einem Album zusammengebracht wurden.
Bei der zweiten Platte ist zuerst die Entscheidung gefallen, dass wir überhaupt eine aufnehmen wollen.
Da wir dann nach und nach in andere Städte gezogen sind, hat sich auch der Schreibprozess verändert. Malte hat die Songs zum größten Teil bei sich zu Hause am PC geschrieben und ich die Texte nach und nach auf die Demos und Arrangements. Wir haben uns auch einige Male zu zweit getroffen, quasi Text und Demo zusammengeschrieben. Der Song WACH zum Beispiel ist in so einer Session entstanden, mehr oder weniger über Nacht – weshalb für uns auch klar war, dass dieser Songs aufs Album gehört. Generell habe ich beim Schreiben des zweiten Albums gemerkt, dass ich mich wohler fühle, auf eine Demo zu schreiben als aus dem Nichts. Vor allem, weil durch die Musik und die Stimmung für mich schnell klar wird, in welche Richtung der Text gehen soll.
Wir haben uns dann 4 Wochen vor Recording zusammen mit unserem Produzenten Beray Habip in unserem Proberaum eingeschlossen, alle Demos gehört und Ideen ausprobiert.
Im Studio selbst passiert aber auch noch einiges – in unserem Fall hauptsächlich die Celloarragements. Luca hat mit Beray tatsächlich Stunden zusammengesessen und quasi jeden Song auseinander gebaut, um Parts und Sounds auszuprobieren. Das war zwar stellenweise ganz schön anstrengend aber hat sich komplett gelohnt!
Was für Emotionen wollt ihr beim Publikum auslösen und weshalb?
Ich würde sagen im besten Fall, die Emotionen, die ich beim Schreiben gespürt habe. Was uns unfassbar beflügelt und bestätigt in dem, was wir tun, sind die Menschen, die die Musik hören und sich in den Texten wiederfinden können und wir kriegen viele liebe Nachrichten, die sich verstanden, fühlen und Geschichten erzählen, die ich wiederum richtig gut verstehen kann. Auch bei Liveshows tauschen wir uns darüber oft und gerne mit den Leuten aus, die zur Show kommen. Ich glaube das 2. Album erzählt generell viel vom Kampf mit sich selbst, der Angst andere zu enttäuschen und zu verlieren und genereller Kraftlosigkeit, wodurch wieder neue Schuldgefühle und innere Kämpfe entstehen. Auch wenn die Songs keine Zauberformel oder einfache Lösung bieten, ist es doch trotzdem ein tröstender Gedanke, dass es andere gibt, die ähnliche Päckchen mit sich tragen.
Also, auch wenn das Album insgesamt eine eher melancholische Stimmung trägt, bringt es für mich doch viel Trost und Hoffnung mit – und wenn wir sowas Ähnliches bei ein paar ZuhörerInnen auslösen, freut uns das Mega.
Welches Instrumentarium habt ihr bei euren Aufnahmen zum aktuellen Album genutzt und wieso fiel die Wahl genau darauf?
Unsere Aufnahmen und Songs entstehen grundsätzlich immer in unserer Standartbesetzung: Gitarre, Bass, Drums und natürlich das Cello.
Man experimentiert in der Regel auch sehr viel mit Sounds im Studio, für einen Song hat Luca zum Beispiel ein Klavier eingespielt und einen anderen hat die liebe Nici, von unseren Freunden von „Kochkraft durch KMA“, mit einem Synthibass begleitet.
Je nach Arrangement und Song macht es einfach super viel Spaß mit Sounds zu spielen und verschiedene Sachen auszuprobieren. Im Studio hat man natürlich auch viel mehr Möglichkeiten, mehr Equipment und sogar Räume, die teilweise extra zum Aufnehmen bestimmter Instrumente gebaut sind. Das „Toolhouse Studio“ in Rothenburg an der Fulda, eignet sich zum Beispiel sehr gut, um einen Halligen Klang zu erzeugen bei Instrumenten wie einem Schlagzeug oder – wie passend – einem Cello. Malte hat sich außerdem sehr gefreut über richtige Amps aufzunehmen, anstatt mit der Digitalen Version über Kopfhörer am PC – so macht das natürlich viel mehr Spaß!
Die etwas ungewohnte Besetzung der Band kommt daher, dass wir einfach schon sehr früh gut befreundet waren und danach erst angefangen haben Musik zu machen. Da war es eher Zufall, dass wir so unterschiedliche Instrumente gespielt haben und dadurch diese Art von Sound besteht, der sich an mehreren Genres ein wenig bedient. Auch das kommt ganz einfach daher, dass wir aus unterschiedlichen Musikrichtungen kommen und das einfach fusioniert haben.