Der Autor Oliver Fehn spricht über seinen Austritt bei der Church of Satan und seine Gründe.
Hallo, Oliver! Ich freue mich, wieder einmal mit dir ein Interview führen zu dürfen. Wie sich mittlerweile herumgesprochen haben dürfte, bist du nach vier Jahren Mitgliedschaft aus der Church of Satan ausgetreten. Was waren deine Gründe dafür?
Zunächst einmal habe ich mich natürlich, wie jeder Mensch, der sein Leben wirklich lebt, in religiös-philosophischer Hinsicht weiterentwickelt. Jeder Tag bringt neue Erfahrungen, und man zieht seine weltanschaulichen Konsequenzen daraus. Das ist wie bei einem Kind, das aus seinen Schuhen oder seiner Jacke „herauswächst“.Es gab jedoch auch dringlichere Gründe. Ich hatte in der CoS Strukturen erkannt, die denen der katholischen Kirche nicht unähnlich sind – das heißt Vetternwirtschaft, Schadensbegrenzungs-Strategien, Salamitaktik. Und ich bin – sorry, falls das arrogant klingt – einfach zu schlau, um so etwas nicht zu bemerken.
In deinem Blog-Eintrag “Back on my feet again, out on the street again …” schreibst du etwas von spiritueller Weiterentwicklung. Wie definiert sich die bei dir? Viele mögen es vielleicht absurd finden, nachdem man in der Church of Satan war, nun von Spiritualität zu sprechen.
Ich spreche nicht nur wieder von Spiritualität, ich spreche seit einiger Zeit auch wieder von Gott. Es gibt ein Großes Bewusstsein da draußen, das ich anerkenne und mit dem wir kommunizieren können. Es hat nichts mit dem jüdisch-christlichen Gott zu tun, ganz und gar nicht, es ist eine Mischung aus unserem eigenen Verlangen und dem Universum. Mein altes Beispiel mit der Gastherme, die du mit deinem eigenen Feuer entzünden musst, ist also immer noch aktuell. Ich bin kein Atheist, ich sehe mich als Agnostiker. Du kannst nicht wissen, was da draußen wirklich vor sich geht, du kannst es nur vermuten.
Ebenfalls zu finden ist in den Kommentaren zum obengenannten Eintrag die Bekanntmachung, dass es im letzten Vierteljahr mehr Ausstiege aus der Church of Satan gab als eigentlich bekannt ist. Darunter auch Boyd Rice, Laetitia Mantis und Diabolous Rex. Alles mehr oder weniger bekannte Personen. Was sind deine Vermutungen dazu? Stecken dahinter vielleicht ähnliche Beweggründe?
Ich habe in persönlichen Gesprächen und Telefonaten mit gewissen Leuten vertrauliche Informationen erhalten. Es ist aber nicht meine Art, so etwas auszuposaunen. An dieser Stelle also: Kein Kommentar. Glaubst du, dass die CoS sich seit Anton LaVeys Tod wesentlich verändert hat? Und ob. Lies mal die alten Interviews mit LaVey oder guck dir Videos mit ihm an. Da erlebst du einen geistreichen, feinsinnigen und humorvollen Mann. Kannst du heute in der CoS noch so etwas wie Humor entdecken? Ein Großteil der Leute erinnert mich von ihrem Verhalten her an bolschewistische Apparatschiks, die jeden Funken Kritik sofort als persönlichen Angriff empfinden und zum Lachen in den Keller gehen. Und die wenigen Ausnahmen werden vergrault. Boyd Rice ist ein gutes Beispiel – er ist ein sehr vielseitig begabter Mensch mit nachweisbaren Erfolgen im realen Leben. Er macht Kunst, Musik und Filme, er schreibt und fotografiert. Seine Aktion mit der „Auflösung der CoS“ hätte mal ein wenig Wind in die reglose Bude bringen können, wurde aber sofort – begleitet von Schmähungen und Beschimpfungen – im Keim erstickt.
Von den Seiten, denen du deinen Austritt bekannt gegeben hast, gab es bisher nur Zuspruch für deine Entscheidung. Gab es auch böse Worte?
Böse Worte gab es bisher nicht, und falls sie noch kommen sollten, werden sie mich nicht sonderlich jucken. Allerdings bekam ich zwei Tage nach meinem Austritt den scheinheiligen Anruf eines „Officials“, der Verständnis für meine Entscheidung heuchelte, dann aber Informationen sofort weiterleitete. Spricht eindeutig für den guten Stil der Organisation. (lacht)
Während deiner Mitgliedschaft gab es laut deinem Blog-Eintrag ja schon böse Worte. Unter anderem die Beschuldigung, das du die Mitgliedschaft bei der Church of Satan als PR-Sprungbrett nutzen würdest. Magst du darauf ein bisschen detaillierter eingehen?
Weißt du, Oliver, ich kann sehr gut unterscheiden zwischen konstruktiver Kritik und Sozialneid. Der Vorwurf, auf den du anspielst, kam vom deutschen Medienvertreter der CoS, der sich wahrscheinlich ärgerte, dass ich eine ziemlich große Fangemeinde habe und er nicht. Aber um Fans zu bekommen, muss man halt auch den Arsch hochkriegen. Und selbst wenn ich mit meiner Mitgliedschaft hätte PR machen können – ich hab dafür ja auch 200 Dollar bezahlt, und ich kann denen, die davon essen gegangen sind, nur nachträglich einen guten Appetit wünschen.
Meinst du, die zahlreichen Austritte geben den Gegnern der Church of Satan in gewisser Weise recht?
Das ist mir ziemlich schnuppe.
Und glaubst du, sie werden weitere Austritte nach sich ziehen?
Weitere Austritte würden mich nicht wundern, deswegen herrscht ja zur Zeit so ein Geflatter auf dem Hühnerhof. Aber um ihre Imagepflege muss die Organisation sich schon selbst kümmern.
Du hast dich auch ziemlich empört über die Schmähung von Alten, Behinderten und Kranken in dem Buch des deutschen Medienvertreters. Aber war das nicht die Meinung einer Einzelperson?
Nein, das glaube ich nicht, sonst hätte die CoS sich davon distanziert, und das ist nicht geschehen. Und wenn jemand zu mir sagt: „Ja, was kriegen die in Amerika schon mit, was hier in Deutschland einer schreibt?“, kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Wenn eine Organisation nicht mehr in der Lage ist, einem einzigen Vertreter in einem anderen Land auf die Finger zu schauen, ist sie entweder überfordert, zu faul oder geht mit dieser Person konform.
Bezüglich des Vorwurfs, die CoS als PR-Sprungbrett zu nutzen. Ich denke, ein offizielles Bekenntnis hat eher Nachteile zur Folge, während es intern wahrscheinlich – wie in einem Netzwerk üblich – begrüßt wird, sich pushen zu können. Wie siehst du das?
Nicht ich habe die CoS als PR-Sprungbrett verwendet, sondern meine Bücher waren PR für die CoS. Welcher Hahn hat denn vor „Satans Handbuch“ in Deutschland nach Satanismus gekräht? 10.000 Leute haben das Buch inzwischen gekauft, und viele davon sind daraufhin der CoS beigetreten. Und meinst du, die Belletristik- und Sachbuchverlage, für die ich als Autor, Lektor und Übersetzer arbeite, sind vor Freude an die Decke gesprungen, als sie hörten, wo ich Mitglied war? Ich habe das aber in Kauf genommen. Nur erwarte ich dann als Gegenleistung ein wenig Respekt.
In deinem Blog sagst du, du willst vielleicht irgendwann dein eigenes Ding aufziehen.
Ach ja, man denkt über alles Mögliche nach. Aber ich weiß gar nicht, ob ich daran Interesse habe. Ich helfe anderen ja gern, der Wahrheit ein wenig näher zu kommen. Aber zur Zeit habe ich tausend andere Pläne.
Würdest du dich jemals wieder einer religiösen Organisaton anschließen?
Ich bin ja nicht blöd. Sieh mal, ich war Katholik, ich hab ein paar Jahre lang Kurse bei Scientology gemacht, und dann bin ich CoS-Mitglied geworden. Und egal wo ich war, stieß ich nur auf Geldgier, Machtgeilheit und Unehrlichkeit. Der Schriftsteller Stiff Chainey hat vor ein paar Tagen sinngemäß auf Facebook geschrieben: Ein wahrer Künstler sollte sich nie einer Organisation anschließen. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
A propos Schriftstellerei: Du hast vor einigen Wochen ein Vampirbuch veröffentlicht. Läuft der potentielle Interessent da Gefahr, in einem Kitsch-Roman zu landen, oder was erwartet den Leser in dem Buch “Vampire wollen nur das Eine”?
(lacht) Das war ein eleganter Themenwechsel. Nein, es ist kein Kitschroman à la Stephenie Meyer, zu so etwas wäre ich schon rein physisch nicht in der Lage. Es handelt sich um ein Sachbuch über Vampirismus unter ganz normalen Menschen. In jedem von uns steckt ein potentieller Vampir. Es gibt erotische Beziehungen, die sind rein vampirisch. Jemand kann dich aussaugen, ohne dass du es merkst. Und dann handelt das Buch natürlich von Dingen, die viele von uns kennen: Bluttrinken und Beißen und Saugen, und ich nehme mal an, ich bin nicht der einzige, der solche Dinge beim Sex gelegentlich geil findet. (lacht wieder) Aber ein wenig blass sehe ich ja schon aus, und so ganz warm fühle ich mich womöglich auch nicht mehr an.